Erinnert an den ehemaligen Wohnort von Hugo Schweitzer: Der Stolperstein vor dem Haupteingang der Gesamtschule Stieghorst
Weitere Stolpersteine zur Erinnerung an Bielefelder Opfer des
Nationalsozialismus hat der Kölner Künstler Gunter Demnig am
vergangenen Donnerstag in Bielefeld verlegt. Im Mai 2005 begannen die
Steinverlegungen, kleine Steine, die ins Gehwegpflaster integriert
werden, die aber dank der Messingoberfläche gut sichtbar sind. Der Rat
der Stadt hat den steinernen Erinnerungen nachdrücklich zugestimmt.
Von Manfred Horn
Zustandegekommen sind die Steinverlegungen vor allem durch die
Ärztin Eva Hartog. Sie holte den ersten Stein nach Bielefeld. Gesehen
hatte sie solche Steine zuvor in Hamburg. Denn Gunter Demnig hat
bundesweit Aufsehen erregt mit der Aktion: In vielen Städten finden
sich inzwischen solche Stolpersteine. Demnig wurde in der vergangenen
Woche für sein Engagement auch zum Ehrenbürger der Stadt Köln erklärt.
In einigen Städten jedoch wird man die Steine auch vergebens suchen. So
zum Beispiel in München, wo es eine heftige Debatte gab. Dort hat der
Stadtrat im Juni 2004 die Verlegung untersagt. Eine Initiative kämpft
dort bis heute aber weiter, um die Verlegungen dennoch möglich zu
machen. Die Kritik ist Eva Hartog durchaus auch aus Bielefeld bekannt:
So macht die jüdische Gemeinde in Bielefeld bei den Verlegungen nicht
mit. Sie hätte lieber Erinnerungstafeln an den Häusern. Die Steine
hingegen lehnt sie, weil auf sie, und damit auch die Toten,
draufgetreten wird. »Dabei weisen die Steine nur darauf hin, dass dort
die Person xy wohnte«, sagt Hartog. Sie betont aber zugleich, dass
keine Steine gegen den Wunsch von Angehörigen verlegt würden.
Eva Hartog ist in der Frauenorganisation Zonta engagiert. Zonta ist
ein weltweiter Zusammenschluss berufstätiger Frauen, die sich zum
Dienst am Menschen verpflichtet haben, seit 1999 gibt es auch einen
lokalen Verein in Bielefeld. Der Verein unterstützt die
Steinverlegungen. Engagiert ist auch Susanne Biermann, die Leiterin der
Labor-Schule. Beide, Hartog und Biermann, fungieren auch als
Ansprechpartnerin für weitere Steinverlegungen. So sollen Ende Oktober
weitere Steine verlegt werden. Da Gunter Demnig inzwischen so
beschäftigt ist mit dem Verlegen, kann er dafür nicht nach Bielefeld
kommen. Die Steine sind schon fertig, verlegt werden sie dann aber vom
Handwerkbildungszentrum. Hartog denkt auch darüber nach, vor der
Ravensberger Spinnerei einen Stein verlegen zu lassen. Das wäre
allerdings ein Novum: Denn dann würde auf dem Stein stehen: »Hier
arbeiteten...«. Der Stein würde dann an Zwangsarbeiterinnen erinnern.
Doch noch ist dies nur eine Idee.
Die Steine werden von Paten finanziert: Sie zahlen 95 Euro auf ein
Konto der Stadt, dass die Finanzen verwaltet. Auf den Stolpersteinen
steht dann der Name, Geburts- beziehungsweise das Deportationsdatum. Im
Vordergrund stehen Bielefelder, die von den Nationalsozialisten
deportiert wurden. Ingesamt 20 Steine finden sich inzwischen auf
Gehwegen vor Häusern, in denen die Opfer gewohnt haben. Unter ihnen
Josefa Metz, Jüdin und Schriftstellerin, die in der Detmolder Straße 4
aufgewachsen ist. Auch der in Bielefeld damals sehr bekannte Orthopäde
Bernhard Mosberg gehört dazu, der 1944 in Auschwitz umkam. Am
vergangenen Donnerstag wurde vor der Gesamtschule Stieghorst ein Stein
für Hugo Schweitzer verlegt, der 1940 im Konzentrationslager
Sachsenhausen ermordet wurde. Meist sind es Angehörige oder ehemalige
Nachbarn, die auf die Namen und Wohnorte der Opfer hinweisen. Hartog
wendet sich in solchen Fällen an das Stadtarchiv, um mehr über die
Toten zu erfahren. Dort wurde Hartog lange Zeit von Monika Minninger
unterstützt. Sie ist nun im Ruhestand und der neue Institutsleiter
Jochen Rath hat ihre Aufgabe übernommen.
Hier eine Liste mit den bisher verlegten Steinen
1. Josefa Metz, geb. 1871 in Minden, gest. 13.2.1943 im Ghetto
Theresienstadt. Jüdin, Schriftstellerin; Elternhaus: Detmolder Strasse
4
2. Frieda Laarmann, geb. 1902 in Münster,1942 in Auschwitz
gestorben. Zeugin Jehovas, Herstellung und Verbreitung vom Wachturm,
Kontoristin, Elternhaus: Hallerweg 73
3. Dora Senkel, geb. Salomon, geb. 24.2.1893 in Berlin, gest. 31.8.1943 in Auschwitz
4. Richard Senkel, geb. 1877 in Berlin, am 9.3.1943 im KZ Sachsenhausen ermordet. Beide: Am Sparrenberg 8
5. Dr. Bernhard Mosberg, geb. 20.2.1874 Bielefeld, Orthopäde, gest.
Auschwitz 1944, verheiratet mit Rosalie Mosberg, geb. Oppenheimer, geb.
28.9.1879 in Niedermarsberg, ermordet 26..3.1943 in Bendorf-Sayn. Dr.
Gertrud Mosberg, Ärztin, geb. 5.7.1903 in Bielefeld, gest. März 1945 KZ
Ravensbrück; alle drei: Artur- Ladebeck-Strasse 6
6. Konrad Griefingholt, geb.1890 in Nüven/Melle, gest. 20.4.1944.
Zuchthaus Hameln; Artur Ladebeck-Strasse, linker Flügel der Kunsthalle
7. Erich Wehmhöner, geb.1908 in Bielefeld, umgekommen April 1945 im Kz Neuengamme; Bosse-Str. 3
8. Paul Brockmann, geb. 1896 in Bielefeld, hingerichtet 22.9.1944 in Dortmund, Fräser, homosexuell, wohnhaft: Breite Straße 35
9. Samuel Meyerson, geb. 8.12.1862 in Bielefeld, ermordet 25.8.1942
in Theresienstadt, Pferde- und Manufakturwarenhändler, wohnhaft:
Detmolder Str. 84
10.Hedwig Meyerson, geb. 27.9.1899 in Bielefeld, Tochter von Samuel
Meyerson, ermordet 8.5.1945 im Lager Maly /Trosdenez(Polen),
Kontoristin, wohnhaft: Detmolder Str.84
11. Hugo Schweitzer, geb. 1884 in Bielefeld, ermordet 7.4.1940 im
KZ Sachsenhausen, Mitglied des linksgerichteten Dachdeckerverbandes, Am
Wortkamp 35a
12. Fritz Beckstätte, geb. 1899 in Bielefeld, Schleifer, 1936 9
Monate Gefängnis wegen Vorbereitung zum Hochverrat, 8.7.1936
Selbstmord, Stieghorsterstrasse 54 a
13. Gustav Koch, geb. 1900 in Oerlinghausen, am 15.9.1944 in
Dortmund hingerichtet, Dreher, KPD, Anklage wegen Rundfunkverbrechen,
Wehrkraftzersetzung und Hochverrat Althoffstrasse 4
14 .Herrmann Wörmann, geb. 1896 in Sieker, am 15.9.1944 in Dortmund hingerichtet, KPD, Althoffstrasse 14
15. Selma Grünewald geb. Wolff, Witwe des Kaufmanns Albert Grünewald geb. 1890 Südlohn, ermordet in Auschwitz, Mühlenstrasse 7
16. Leo Grünewald geb. 1921 in Bielefeld, Sohn von Selma Grünewald, Fleischer, ermordet in Auschwitz Mühlenstrasse 7
17. Margot Grünewald geb.1926 in Bielefeld, Tochter von Selma Grünewald, ermordet in Auschwitz, Mühlenstrasse 7
18. Rosa Heymann, geb. Wolff, geb.1891 Südlohn/ Westfalen, Witwe,
Mitinhaberin des Bekleidungsgeschäftes Grünewald und Heymann, am
13.12.1941 ins Ghetto Riga deportiert und ermordet, Mühlenstrasse 7
Im Oktober 2006 folgen:
1. Eduard Gaus, geb. 1888, Schlosser bei Dürkopp, KPD, zweimal
verurteilt wegen Vorbereitung zum Hochverrat. Am 21.3.1945 gestorben an
Unterernährung im Zuchthaus Werl, Ölmühlenstrasse 105
2. Wilhelm Hünerhoff, geb. 1889 in Bielefeld,
Verwaltungsoberinspektor AOK, verurteilt wegen Heimtücke, danach KZ,
ermordet 27.8.1944 in Neuengamme, Finkenstrasse 77
3. Frieda Homann, geb.Reinecke. Geb.1903 Großrhüden, am 4.1.1944 in
Dortmund hingerichtet und Heinrich Homann, geb.30.Juli 1900 in Güstrow.
Todesurteil wegen Fortführung einer kommunistischen Gruppe,
Feindsenderabhörung und Wehrkraftzersetzung, KPD, Ortschmiedeweg 33
4. Ernst Brune, geb. 1889 in Schildesche, am 25.5.1940 im KZ
Sachsenhausen totgeschlagen. Brauereiarbeiter,
Betriebsratsvorsitzender, KPD, Kritik an Krieg und NS, ohne Verfahren
ins KZ, Am Sudholz 31
5. Dr. Julius Kamp, Rechtsanwalt,geb.16.3.1886 in Herford, vergast in Auschwitz am 17.10.1944, Detmolderstrasse 8
6. Lotte Windmüller, geb. 9.7.1922 in Bielefeld, deportiert
2.3.1944 nach Auschwitz, Todesdatum nicht bekannt, wohnhaft Detmolder
Strasse 76
7. Gustav Höcker geb. 1898 Wanne-Eickel , am 15.9.1944 in Dortmund
hingerichtet, Maschinenmonteur, KPD, Hochverrats und
Wehrkraftzersetzungsanklage, Hallerweg 65
8. Rudolf Sauer geb. 1900 in Bielefeld, am 15.9.1944 in Dortmund hingerichtet, Zahntechniker, KPD, Wellensiek 154
9. Fritz Bockhorst geb. 7.4.1901. Angeblich Selbstmord, nach 6 Jahren zermürbender Haft am 30.6.1944, wohnte An der Landwehr 1
10.Christian Vogel, geb. 1902 in Freisenbrück /Hattingen,
hingerichtet am 24.5.1941 im KZ Brandenburg, wohnhaft: Hauptstrasse 193
in Brackwede.
Kontakt mit Zonta Bielefeld wegen weiterer Patenschaften über
Eva-Maria Hartog, Kantstraße 4, 33615 Bielefeld. per Mail:
eva.hartog@klinikdrhartog.de
Die Stolpersteine im Netz: http://www.stolpersteine.com