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Arm und Reich (25.06.2003)



Von Manfred Horn

Das Bielefelder Traditionsunternehmen Dürrkopp Adler schreibt offiziell rote Zahlen: Im Geschäftsjahr belief sich das Minus auf 2,6 Millionen Euro. Gleichzeitig erhöhte der Vorstand sich seine offiziellen Bezüge von 480.000 auf 1.1 Millionen Euro.

Der Nähmaschinenhersteller wäre ein gutes Beispiel für die Thesen von Werner Rügemer. Der in Köln lebende Philosoph, Berater, Publizist ist gleichzeitig Mitglied bei »attac«, »Transparency International« und der Vereinigung »Business Crime Control«. Seine Grundthese, die er einer Veranstaltung am Dienstag Abend auf Einladung des Rosa-Luxemburg Clubs in der Bürgerwache ausbreitete: Arm und Reich werden nicht wirklich erfasst und Arm und Reich stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander.

Die Schere zwischen Arm und Reich geht in der Bundesrepublik seit Jahren deutlich auseinander. Dennoch seien die genauen Ausmaße und Ursachen von Armut und Reichtum mit Tabus belegt. Dabei werde Armut viel mehr als Reichtum öffentlich wahrgenommen. Ein typisches Beispiel sei der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung des Jahres 2001. Dort wird versucht, Armut zu erfassen und gleichzeitig werden circa drei Millionen Menschen, die in sogenannter verdeckter Armut leben, gar nicht erfast. Auch die Voraussetzung der Bundesregierung, dass alle erwachsenen Menschen, die eine Rente erhalten, nicht arm sind, trifft laut Rügemer nicht zu. Hinzu komme, dass der Bericht nahelege, dass die Armut Ergebnis individueller Defizite sei und durch Arbeit bekämpft werden könne. Heraus kommen aber immer »working poor«: Menschen, die sich minimal entlohnt gleich mit mehreren Jobs über Wasser zu halten suchen und dennoch arm sind. Noch diffuser und mit einem Kranz von Unwissen und Geheimnis umgeben bleibe der Reichtum in dem Armuts- und Reichtumsbericht, sagt Rügemer. Die Zahlen würden sich nur auf die Angaben der Betroffenen gegenüber den Finanzämtern stützen. Experten seien sich einig, dass diese Angaben weniger der Wirklichkeit als die Kunst der Steuergestaltung in den einkommensstarken Milieus widerspiegeln. Rügemer schätzt, dass gegenwärtig 2,5 Millionen Haushalte als reich gelten können, also fünf Millionen Menschen reich sind. Danach sei die Zahl der Reichen ungefähr doppelt so hoch als die der Sozialhilfeempfänger.

Rügemer fragte an diesem Abend auch nach dem Zusammenhang von arm und reich: Durch Arbeit würde beides entstehen. Schon für Adam Smith als Wirtschaftstheoretiker des 18. Jahrhunderts bestand Reichtum nicht darin, dass ein Reicher viel besitzt, sondern darin, dass er über das Ergebnis der Arbeit Anderer und damit über eine ständige Gewinnquelle verfügt. Bis heute gebe es auf der Seite der Arbeiter und Angestellten kein rationales Kriterium für Lohn und Gehalt. Rügemer fordert, Löhne in ein Verhältnis zum Gewinn zu setzen. Die Parole: Entlohnung nach Leistung hält er für Unsinn. So gebe es auch kein rationales Kriterium für die Berechnung von Topeinkommen. Es würde noch nicht einmal der Versuch unternommen, die hohen Einkommen von Managern zu begründen: »Das Prinzip heißt: größtmögliche Bereicherung«, sagt Rügemer. Und diese geschehe in dem Wissen, dass die Zeit dazu endlich ist. Natürliche Ressourcen würden dabei kombiniert und vernutzt und durch menschliche Arbeit in Reichtum für einige umgewandelt.