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Staub aufgewirbelt (23.03.2005)





Keine Raucherlunge, sondern ein Bronchialsekret mit Feinstaub


Von Manfred Horn

Die Städte in Deutschland sitzen auf einem Pulverfass. Geht es hoch, staubt es gewaltig. Kaum wahrgenommen von der Öffentlichkeit, hat der Europarat bereits 1996 eine »Lufqualitätsrahmenrichtlinie« erlassen. In der EU-Richtlinie sind Grenz- und Alarmwerte für Luftschadstoffe wie Schwefel, Blei, Feinstäube oder Stickoxide angegeben, wovon seit 1. Januar die Grenzwerte für Feinstaub (PM 10) verbindlich sind. Die Richtlinie soll das Problem entschärfen, dass Menschen an vielen Orten in Europa mit verschmutzter Atemluft zu kämpfen haben. Allein in Europa sterben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation jährlich 100.000 Menschen auf Grund von Feinstaub, 725.000 Lebensjahre verschwinden in der kaum sichtbaren Staubwolke. Der belastet nämlich die Lunge, die winzigen Teile gelangen so in die Atemwege und das Blut. Sie führen zu Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislaufversagen und Lungenkrebs. Besonders gefährdet sind Kleinkinder, Alte und Menschen mit geschwächter Immunabwehr.

Erst acht Jahre nach 1996 wurde die Richtlinie auch in nationales Recht übersetzt. Seit 1. Januar gelten nun Immissionsgrenzwerte. Als Obergrenze festgeschrieben ist ein Jahresmittel an Feinstaub von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Zugleich darf die Feinstaubbelastung an höchstens 35 Tagen im Jahr die Menge von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter überschreiten. München kommt in 2005 bereits auf 33, Düsseldorf auf 29 und Dortmund auf 26 Tage. Auch die Stadt Bielefeld kann sich nicht sicher sein, ob sie nicht Ende des Jahres die Höchstzahl übertritt: Bis heute ist der Grenzwert neunmal überschritten worden. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) forderte Länder und Kommunen Anfang des Jahres auf, »ihrer Verantwortung für die Gesundheit der Bürger gerecht zu werden«. Bloße Verweise auf eine stärkere Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs reichen aus seiner Sicht nicht aus. Wenn, wie in Berlin geplant, neue Busse mit alten Abgasstandards angeschafft werden, werde der öffentliche Nahverkehr Teil des Problems statt Teil der Lösung.


Gesetz ist kein Selbstläufer

Trittin ahnte schon bei der Verabschiedung des Gesetzes Turbulenzen, sein Ministerium verkündete: »Ein Selbstläufer wird dieses Gesetz nicht«. Die Verordnung mit dem Codenamen 96/62/EG bringt im Gegenteil die kommunalen Behörden auf Trab: Sie sind unter Handlungsdruck. Umweltverbände sehen darin eigenes Verschulden. Denn die Kommunen und die Länder, die die eigentliche Verantwortung für die Umsetzung der Richtlinie tragen, wussten bereits seit 1999, dass das Gesetz 2005 kommt.

Ein Netz von 400 Schadstoff-Messstationen durchzieht das Land. Gerade im Winter steigen die Werte, wenn wenig frische Luft die Staubwolke wegpustet. Die Meterologen sprechen hier von »Inversionswetterlagen«: Inversionen entstehen durch Luftschichten, innnerhalb derer die Temperatur engegen den normalen Verhältnissen mit der Höhe zunimmt. Dadurch wird der vertikale Luftmassenaustausch verhindert, die Luft in Bodennähe wird nicht ausgetauscht. Diese Wetterlage ist in der Regel auch Bedingung für die Herausbildung von Smog.

Das Bundesumweltministerium befürchtet, dass in 70 bis 120 Kommunen der zulässige Tageshöchstwert von 50 Mikrogramm häufiger als dreißig Mal im Jahr überschritten wir, in 30 Städten auch der Jahresgrenzwert. Dies zeigen die Messungen der vergangenen Jahre. Die Bundesländer und Kommunen können nach der neuen Gesetzeslage aber nicht mehr einfach wegsehen. Den das Gesetz sieht vor, dass Behörden künftig Industriebetriebe zeitweise stilllegen, rigide Tempolimits verhängen und Ballungszentren für LKWs und PKWs sperren kann, sofern die Grenzwerte für Luftschadstoffe anders nicht in den Griff zu kriegen sind. Die Kommunen haben die Luftprobleme lange Zeit verdrängt, nun müssen sie handeln, oder aber zumindest erklären, warum sie es nicht tun.