Webwecker Bielefeld: Mehr Müll für die MVA (21.06.2006)

Mehr Müll für die MVA (21.06.2006)



Von Manfred Horn

In einer gemeinsamen Sitzung des Hauptausschusses, des Umwelt- und Stadtentwicklungsausschusses sowie der Bezirksvertretung Heepen ist der gemeinsam von der CDU und der SPD vorgelegte Antrag auf die Erhöhung der jährlichen Verbrennungsmenge von gegenwärtig circa 360.000 Tonnen auf 480.000 Tonnen in der Müllverbrennungsanlage (MVA) beschlossen worden. Der Antrag wird wahrscheinlich auch am Donnerstag bei der Stadtratssitzung eine Mehrheit finden. Die Bürgerinitiative ›Besser Leben und Wohnen in Baumheide‹ (BIB) hatte sich bereits im Vorfeld gegen die von der MVA beantrage Erhöhung ausgesprochen (WebWecker berichtete). und verstärkt nun ihre Kritik.

Die gesundheitlichen und ökologischen Belastungen würden künftig um ein Drittel steigen, führt BIB aus. Die MVA verneint dies: Die Immissionsbelastung bleibe bei der Erhöhung der Müllmenge »nahezu unverändert«. Zusätzlich werde die Verkehrsbelastung durch den zusätzlichen LKW-Verkehr deutlich zunehmen, führt die Bürgerinitiative weiter aus. Gegenüber dem Zeitpunkt des Verkaufs der MVA vor zehn Jahren der MVA werde sich das Aufkommen an Müllfahrzeugen um fast zwei Drittel erhöhen. Damals war die Müllobergrenze auf 300.000 Tonnen festgelegt worden.

Durch eine gesetzliche Änderung, nämlich das Verbot der Deponierung unbehandelter Abfälle, hat sich Mitte 2005 die Lage verändert. Die Nachfrage nach Verbrennungskapazitäten hat seitdem angezogen. Laut einer Verwaltungsvorlage hat aber die MVA bis heute die Entsorgung von Hausmüll aus ganz OWL sicher stellen können. Die MVA, an der auch die Stadtwerke Bielefeld und damit die Stadt selbst beteiligt ist, will künftig 20 Prozent mehr verbrennen. Dabei steht dann gewerblicher Müll im Vordergrund. Durch »gezielte technische Optimierungsmaßnahmen« soll diese höhere Auslastung möglich werden, unter anderem soll eine neue Turbine angeschafft werden. 15 Millionen will die MVA dafür ausgeben. Für ganz OWL rechnet die MVA einen Müllberg von 720.000 Tonen im Jahr 2006 aus, Haus- und gewerblicher Müll zusammen gerechnet. Gesichert sind die Daten nicht. Auch verrät die MVA nicht, um wieviel Prozent sie ihre Gewinnerwartungen durch die Kapazitätsausweitung nach oben steigert.


NRW-Umwelt-Ministerium von Erhöhung überzeugt

Das NRW-Ministerium für Umwelt und Naturschutz jedenfalls macht keine Anstalten, sich dem Erweiterungsvorhaben entgegen zu stellen. Im Gegenteil, der Darstellung der MVA wird ohne jegliche Prüfung geglaubt und das Vorhaben sogar ausdrücklich unterstützt. Alexander Schink, Staatssekretär des Ministeriums, teilt in einem Schreiben von Anfang April mit, Rainer Müller, Geschäftsführer der MVA habe seinem Haus seine Überlegungen erläutert. »Dabei wurde zugesichert, dass die verschiedenen Maßnahmen die erreichten beispielhaft niedrigen spezifischen Emissionswerte nicht antasten«, heißt es in dem Schreiben, und weiter: »Darüber hinaus sind ein transpartentes Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung, Umweltverträglichkeitsuntersuchung und Gutachten zu speziellen Fragen vorgesehen«. Das Verfahren sei auf »Transparenz und Konsens« angelegt. Nach dem Gespräch mit dem Geschäftsführer steht für den Staatssekretär fest: Es handelt sich um eine »auch aus entsorgungspolitischer Sicht positiv zu beurteilende Maßnahme«. Schink hält es für »sachdienlich«, seine Sicht der Dinge an die Stadtverwaltung mitzuteilen.

Da die geplante Erhöhung rechtlich nur aufgrund einer Änderung des beim MVA-Verkauf abgeschlossenen Eckpunktevertrags möglich ist, könnte die Stadt Bielefeld die geplante Änderung verhindern. Gegenüber der BIB hätten Vertreter aller Parteien zugesichert, erst die Gutachten abwarten zu wollen, welche die MVA im Zusammenhang mit dem erforderlichen Genehmigungsverfahren für die Erhöhung der Durchsatzmenge in Auftrag gegeben hat. Diese Gutachten liegen gegenwärtig jedoch überhaupt noch nicht vor.

Die MVA-Geschäftsführung hat der Verwaltung lediglich eine entsprechend ihren Bedürfnissen wertende Zusammenfassung ihrer Sicht der Dinge vorgestellt. In den Ausschüssen stimmten CDU, SPD und FDP für die Erhöhung der Verbrennungsmenge.Die Bitte der BIB, zunächst die noch für Ende dieses Monats angekündigten Gutachten abzuwarten, wurde dabei ignoriert. Die Bürgerinitiative hatte auch angekündigt, diese Gutachten von selbst beauftragten Gutachtern gegenprüfen zu lassen. »Damit haben die genannten Parteien deutlich gemacht, dass sie sich für die Inhalte der Gutachten und um die Einschätzung von uns Anwohnern der MVA nicht interessieren«, erklärt Ludwig Heuwinkel von der Bürgerinitiative.

In den von den Grünen, der Bürgernähe und der Linken/PDS vorgebrachten Argumenten für eine Verschiebung der Abstimmung auf die Zeit nach den Sommerferien gingen diese jeweils auch auf die politische Stilfrage ein. Sie forderten, dass vor einer Entscheidung die Argumente der betroffenen Bürger zu hören und zu bewerten seien. Ralf Schulze von der Bürgergemeinschaft, der sich zunächst nachdrücklich für eine Verschiebung der Abstimmung eingesetzt hatte, hat sich schließlich bei der entscheidenden Abstimmung im Ausschuss der Stimme enthalten. »Aus unserer Sicht wird hier seitens der CDU, SPD und FDP ein den Bürgern gegenüber arrogantes Verhalten an den Tag gelegt, das wir aufs Schärfste kritisieren. Das Vertrauen in ein verantwortliches politisches Handeln dieser Parteien wird durch dieses Vorgehen nachhaltig erschüttert«, erklärt die Bürgerinitiative.

Die aus Sicht der BIB übereilten Beschlussempfehlungen vom 13. Juni könnten noch in der Ratssitzung am 22. Juni korrigiert werden. Die Bürgerinitiative fordert, dass sich die politisch Verantwortlichen zu einer gründlichen inhaltlichen Prüfung »zwei bis drei Monate« Zeit einräumen.


Grüne nennen Bedingungen

Dies ist aber unwahrscheinlich. Die Grünen bringen in die Ratssitzung aber einen Änderungsantrag ein. Darin wird die Erhöhung der Verbrennungsmenge an Bedingungen geknüpft., So soll die erhöhte Verbrennungsmenge zunächst auf fünf Jahre befristet werden. Und die Rauchgasreinigung müsse so optimiert werden, »dass trotz der Erhöhung der Verbrennungsmenge die absolute Menge der Schadstoffe, die bei einer Verbrennung von 360.000 Tonnen im Jahr emittiert werden, nicht überschritten wird«. Zudem soll sich die MVA verpflichen, die jeweils aktuellen Emissionsdaten online zu veröffentlichen.