Webwecker Bielefeld: Erwerbsloseninitiative erzwingt Akteneinsicht (02.08.2006)

Erwerbsloseninitiative erzwingt Akteneinsicht (02.08.2006)



Die Interessenvertretung für Einkommensschwache ›Tacheles e. V.‹ aus Wuppertal hat die Bundesagentur für Arbeit gerichtlich gezwungen, sämtliche Dienstanweisungen zur Gewährung von Arbeitslosengeld I und II zu veröffentlichen. Betroffene können mit Hilfe der Dokumente besser einschätzen, wie die Behörde in ihrem Fall entscheiden wird. Juristen werden besser als bisher einschätzen können, ob Widerspruch und Klage Aussicht auf Erfolg haben. Grundlage für die Veröffentlichung der Akten ist das neue Informationsfreiheitsgesetz. Es trat Anfang des Jahres in Kraft und gibt jedem Bürger ein Recht darauf, Behördenakten einzusehen.

Gleich zu Anfang des Jahres hatte Tacheles e. V. bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg beantragt, alle Dienstanweisungen der Behörde herauszugeben. Als die Behörde sich bis April immer noch nicht in die Akten schauen ließ, zog der Verein vors Sozialgericht Dortmund und beantragte den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Daraufhin kam Bewegung in die Behörde. In der Gerichtsverhandlung Ende Juni schlossen Verein und Behörde einen Vergleich, in dem sich Behörde verpflichtet, sämtliche Dienstanweisungen Schritt für Schritt zu veröffentlichen.

Rechtlich sind die Dienstunterlagen eigentlich ohne jede Bedeutung. Maßstab für die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen etwa über die Gewährung von Arbeitslosengeld II sind allein die gesetzlichen Regelungen. Praktisch sind die Dienstanweisungen und Richtlinien jedoch von erheblicher Bedeutung. Immer dort, wo das Gesetz im Einzelfall Spielräume lässt oder Details festzulegen sind, regeln sie, wie die Beamten vorzugehen haben. Indirekt ist das bei einem Rechtsstreit dann doch oft wieder Thema: Wenn ein Sachbearbeiter einen Entscheidungsspielraum anders nutzt als sonst in der Behörde üblich, führt das in der Regel zu einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und ist damit rechtswidrig. Betroffene können Widerspruch einlegen und haben gute Chancen, dass die Entscheidung ihres Sachbearbeiters korrigiert wird.

Anspruch auf Herausgabe der Daten hat der Verein nach dem neuen Informationsfreiheitsgesetz. Es gilt seit Anfang des Jahres. Jeder kann danach Einsicht in Behördenakten verlangen, soweit dadurch nicht persönliche oder geschäftliche Daten Dritter berührt sind oder die Behörde ein schutzwürdiges Interesse an Geheimhaltung hat. Das Gesetz gilt allerdings nur für Bundesbehörden. Neben dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes haben die Länder Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gesetzliche Regelungen mit einem Recht auf Akteneinsicht geschaffen.