Webwecker Bielefeld: Kein Nutzungskonzept für ehemalige B66n-Trasse (06.09.2006)

Kein Nutzungskonzept für ehemalige B66n-Trasse (06.09.2006)



Alte Brücke an der Lutter: Sie wäre wie vieles im Osten der neuen Straße zum Opfer gefallen


 

Von Manfred Horn

Die Reden sind schon gehalten, doch traut sich die SPD offenbar nicht, Erde über das Grab zu kippen: Die B66n, die die alte rot-grüne Bundesregierung im bis heute gültigen Bundesverkehrswegeplan als nicht mehr prioritär einstuft, könnte eigentlich endlich zu den Akten gelegt werden. Doch offenbar will sich die SPD bis heute eine Option auf die Umgehungsstraße im Bielefelder Osten aufrecht erhalten.

Jahrelang kämpfte die ›Bürgerinitiative gegen die B66n‹ dafür, dass die Straße nicht gebaut wird. 2003 dann schien die Messe endlich zu Gunsten der Straßengegner gesungen: Der Bund zog sich zurück, und ohne Bundesmittel ist die Straße, die rund 90 Millionen Euro kosten würde, nicht zu finanzieren. Das planungstechnische Fossil aus den 1970er Jahren liegt CDU, BfB und FDP schwer am Herzen. Doch eigentlich könnten SPD, Grüne, Bürgernähe und PDS die Straßenpläne endgültig beerdigen, da sie zusammen über eine Mehrheit im Rat verfügen. Doch die SPD macht da nicht mit.

Als die Grünen am vergangenen Donnerstag einen Antrag in den Rat brachten, die für die Straße bis heute freigehaltenen Flächen anders zu nutzen, stimmte die SPD dagegen. In den 1980er Jahren hatte die Stadt rund 22 Hektar Land auf der Trasse aufgekauft. Vieles davon ist Brachland, allerdings stehen auch 40 Gebäude auf dem Streifen zwischen Heeperstraße und Oldentrup. Zwölf Millionen Mark nahm die Stadt damals in die Hand. Die Grünen nun wollen die Fläche für eine städtebauliche Entwicklung freigeben: Will heißen: Bebauung und Naherholung. Die Stadt könnte den größten Teil der Fläche verkaufen. Wie genau, dass hätten die Grünen gerne in ein Konzept gegossen, an dem auch die Anwohner hätten beteiligt werden sollen.


Auf was wartet die SPD?

Die SPD machte keinen Hehl daraus, dass sie nichts davon hält.  Sie beantragte, die Neubeplanung der Fläche in den Umwelt- und Stadtentwicklungsausschuss (UstA) zu verweisen. »Dies ist eine noch nicht mal elegante Methode, weiter rumzueiern«, hielt Rainer Hahn von den Grünen in seiner Rede im Rat der SPD entgegen.  Horst Grube von der SPD entgegnete lapidar: »Ich weiß noch nicht, wie lange wir das so weiter machen«. Übersetzt in Subtext lautete die Aussage: »Was wollt ihr eigentlich. Geht uns nicht auf die Nerven. Hier entscheiden wir«.

Die SPD kündigte an, die Sache »in aller Ruhe« diskutieren zu wollen. Dazu hat sie allerdings bereits 30 Jahre Zeit gehabt. Die CDU machte das Verweisungsspielchen mit: Mit den Stimmen der beiden großen Fraktionen landet die Zukunft der ehemaligen B66n Trasse nun im UstA, und wird da wohl im Sand verlaufen.


Grüne ruinieren den Wirtschaftsstandort

Während der Debatte im Rat wurde nochmals deutlich, mit welcher Vehemenz die Positionen der Parteien aufeinanderprallen. Besonders tat sich dabei Johannes Delius von der Bürgergemeinschaft für Bielefeld (BfB) hervor. Die BfB setzt sich wie die CDU und die FDP seit Beginn der Planungen mit Vehemenz für die B66n ein. Nach der bundesweiten Abwahl von Rot-Grün ziehe nun endlich wieder verkehrspolitischer Sachverstand ein. An die Adresse der Grünen gerichtet, sagte er: »Seit sie im Rat sind, geht es mit Bielefeld als Wirtschaftsstandort kontinuierlich bergab«. Eine Aussage, die er mit dem Städteranking belegen wollte. So sei Bielefeld dort bei den Ausbildungsplätzen auf Rang 48 von 50. »Als dies hat mit Infrastruktur zu tun«. Harald Buschmann, Ratsmitglied der FDP, argumentierte, die Probleme mit der Detmolder Straße gebe es nicht, wenn eine B66n gebaut werden würde.

Die Bürgerinitiative gegen die B66n, durch die Ratsdebatte aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt, kritisiert nun in einer Stellungnahme die Entscheidung des Rates, besonders die Haltung der SPD. In einem offenen Brief an Nicolas Tsapos, Ratsmitglied der SPD, heißt es, die Bürgerinitiative warte seit langem auf das endgültige Aus für die B66n. In der SPD-Infozeitschrift ›Rund um die Oststraße‹ hatte Tsapos erklärt, er werde sich genau dafür einsetzen. Im Rat stimmte er wie alle aus der SPD-Fraktion jedoch für eine Überweisung an den UstA. Die Bauprojekte L712n und Detmolder Straße seien keinesfalls Alternativen zur B66n. Sie würden genauso die Lebensqualität ganzer Stadtviertel stark beschädigen. Die SPD steht sowohl hinter den Umbauplänen für die Detmolder Straße wie auch für den Bau einer L712n.

 

Schneller, höher, weiter

Die B66n ist zum Symbol geworden. Sollte die Stadtverwaltung unter dem Rathaus in nächster Zeit nicht zufällig große Mengen an Gold entdecken, kann sie nicht gebaut werden. Denn ohne das Geld vom Bund könnte die Kommune die Straße gar nicht bezahlen. Ein Bau ist also in weiter Ferne.

Doch ist CDU, FDP, BfB und offenbar auch der SPD der Bau so wichtig, dass sie tapfer durchhalten. Irgendwann, so hofft man wohl, könne eine neue Regierung einen neuen Bundesverkehrswegeplan schmieden, in dem die B66n wieder in den vorrangigen Bedarf kommt. Dass dies eher unwahrscheinlich ist, da der aktuelle Bundesverkehrswegeplan bis 2015 gilt: geschenkt.

Das CDU, FDP und BfB alleine aus Sicht der Wirtschaft argumentieren, verwundert nicht. Letztlich sind sie aber genauso wie die SPD in einem antiquierten Fortschrittsdenken der 1960er Jahre verfangen: Mehr Straßen, breitere Straßen, bedeutet mehr Butter. Solches Denken ist zutiefst provinziell – und geht an Realitäten und modernen Infrastrukturkonzepten völlig vorbei.

Das Johannes Delius von der BfB die Grünen als Wirtschaftssstandort-Blockierer ausgemacht hat, ist eigentlich ein deutliches Zeichen wachsender Verzweiflung. Denn das Argument ist so albern, dass selbst CDU-Ratsmitglieder schmunzeln mussten. Es scheitert schon daran, dass die Grünen in den meisten Kommunalparlamenten zumindest der ehemaligen Bundesrepublik sitzen. Demnach müssten alle nahezu alle westdeutschen Städte, auf den letzten Plätzen der – sowieso fragwürdigen – Städterankings liegen. Da erschließt sich nach Jahren der Sinn der »blühenden Landschaften im Osten«, die ein ehemaliger Bundeskanzler namens Helmut Kohl besungen hat. Der hat wohl nicht an Naturschutzgebiete gedacht. Das Weinschorle im Oggersheimer Mund lief zusammen, als er daran dachte, wie viele Schnellstraßen und Autobahnen im wilden Osten gebaut werden könnten.

Und die SPD? Sie gibt in dieser Frage ein trauriges Bild ab. Ohne sich große Mühe zu geben, ihre Macht zu verbergen, spricht sie von weiterem Diskussionsbedarf. Dabei gibt es seit Jahren keine neuen Argumente. Die Sozialdemokraten spielen auf Zeit, eine Haltung, die den Verdacht nährt, auch die Sozialdemokraten wollen ihr Kraftfahrzeug eines Tages doch noch mit Vollgas über die Stadtautobahn B66n jagen.