Webwecker Bielefeld: Vesper geht zum Sport (20.09.2006)

Vesper geht zum Sport (20.09.2006)




Von Manfred Horn

Die Bielefelder Grünen sprechen treffend von einem »Seitenwechsel« und schreiben im Stil einer Traueranzeige: »Er wird uns fehlen«. Michael Vesper, seit 1990 im NRW-Landtag und noch stellvertretender Landtagspräsident, zieht sich aus der Politik auf Landesebene zurück. Er war der prominenteste Grüne des Bielefelder Kreisverbandes. In der eben erschienen Zeitschrift der Bielefelder Grünen, ›big‹, schreibt Vesper noch: »Auch sonst gibt es in Düsseldorf in den kommenden Wochen wenig zu feiern, dafür aber umso mehr zu tun«. Das wird Vesper nun nicht mehr erleben, wird er doch ab 1. Oktober Generaldirektor des neu gegründeten Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).

Voll im Trend

Vesper liegt damit im Trend der ehemaligen rot-grünen Koalition in NRW. Die scheint die nächsten Wahlen in knapp vier Jahren bereits heute abgeschrieben zu haben, gemessen an den »Seitenwechseln«. Denn erst kürzlich ist der Herforder Landtagsabgeordnete Axel Horstmann zur »Energie Baden-Württemberg AG« (EnBW) gewechselt, einem der größten Stromanbieter der Republik. Der SPD-Politiker war in der vergangenen rot-grünen Koaliton in Düsseldorf Minister für Verkehr, Energie und Landesplanung, hatte also schon da mit der EnBW zu tun. Die will in NRW wachsen und setzt nun auf das Netzwerk des Herforders. Horstmann will sein Mandat als Landtagsabgeordneter noch »begrenzt« weiter ausüben, sein Job bei EnBW hat er in diesem Monat bereits angetreten.

Auch Vesper hat sich nun einen Arbeitgeber gesucht, mit dem er bereits in seiner Zeit als Minister für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport zu tun hatte. Als Sportminister versuchte er etwa Olympia 2012 ein Rhein und Ruhr zu holen, scheitere allerdings frühzeitig. Der neue Arbeitgeber DOSB ist noch jung: Im Mai 2006 ist er aus der Fusion des Deutschen Sportbundes (DSB) und des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) hervorgegangen. Die beiden Verbände schlossen sich zusammen und bilden nun das »Dach des deutschen Sports«. Vesper bekommt den Job aus den gleichen Gründen wie Horstmann bei der EnBW. »Er genießt großes Ansehen im Sport und wird mit seinem politischen Netzwerk dem DOSB gut tun«, sagte DOSB- Präsident Thomas Bach zur Berufung Vespers. Der ehemalige stellvertretende Ministerpräsident tritt sein Amt am 1. Oktober an. Vesper gilt als »Realo-Grüner«. Er studierte in Bielefeld an der Universität Soziologie und promovierte dort auch.

Eine Rückkehr in die Politik ist jedoch nicht völlig ausgeschlossen: Horstmann etwa war von 1995 bis 1998 Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und trat dann wegen der Proteste gegen die Ansiedlung einer forensischen Klinik in Herten zurück. 2002 holte ihn Peer Steinbrück ins Kabinett zurück. Auch Vesper könnte zu gegebener Zeit wieder auf der politischen Bühne auftauchen. Sein Vertrag beim DOSB gilt zunächst für fünf Jahre.

Im Moment jedoch besetzt Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) erfolgreich sozialdemokratische Themenfelder und steht hoch in der Gunst des Wahlvolkes. In jüngster Zeit forderte er seine eigene Partei mehrfach auf, sich von zentralen »Lebenslügen« zu verabschieden: Seiner Ansicht nach ist es falsch zu glauben, dass Steuersenkungen zu mehr Investitionen und damit zu mehr Arbeitsplätzen führen. Die Landessozialdemokratie hingegen scheint sich bis heute nicht von der Wahlniederlage im Mai 2005 erholt zu haben. Eine rot-grüne Koalition auf Landesebene ist damit zunächst in weite Ferne gerückt. Wenn, dann wird Vesper wohl Minister in der ersten schwarz-grünen Landesregierung.