Webwecker Bielefeld: Gebührengegner eine kriminelle Vereinigung? (20.09.2006)

Gebührengegner eine kriminelle Vereinigung? (20.09.2006)



Ende August wurde ein studentisches Mitglied der Universitätskommission von Polizeibeamten zur erkennungsdienstlichen Behandlung abgeholt Ihm wird unter anderem vorgeworfen, in den abgesperrten Rektoratsflügel eingedrungen zu sein (WebWecker berichtete). Jetzt hat sich der Betroffene zu Wort gemeldet


Von Mario A. Sarcletti

Ein böses Erwachen, im wahrsten Sinne des Wortes, gab es für Stefan T. (Name geändert) an einem Morgen Ende August. »Ich wurde morgens um 9 Uhr aus dem Bett geklingelt und ein Herr stellte sich direkt vor, dass er von der Polizei sei und mich zur ED-Behandlung abholt«, beschreibt der Student die Ereignisse an jenem Morgen. T. wurde zum Polizeipräsidium gebracht und fotografiert. Außerdem wurden seine Fingerabdrücke genommen und seine Narben und Tätowierungen festgehalten.

Die Beamten hätten ihm »schweren Hausfriedensbruch« vorgeworfen berichtet T. Er sei während der Senatsentscheidung am 12. Juli durch ein offenes Fenster in das Rektorat eingedrungen, am Fensterbrett seien Fingerabdrücke gesichert worden, sei die Begründung für die Maßnahme gewesen. »Das ist schwachsinnig, weil ich als Mitglied der Zentralen Kommission für Studium und Lehre ohnehin Zutritt zur Senatssitzung hatte. Man hat mich da gesehen und erkannt, von daher verstehe ich gar nicht, warum ich erkennungsdienstlich behandelt wurde«, erklärt T. in einer Stellungnahme, die dem WebWecker vorliegt.

Sein Anwalt hat auch Zweifel daran, dass es bei den Ermittlungen um den angeblichen Hausfriedensbruch geht. »Was ihm konkret vorgeworfen wird, wissen wir bis jetzt noch nicht, weil wir bisher keine Akteneinsicht bekommen haben. Es ist nur bekannt, dass im Gesamtzusammenhang »Abhandenkommen des Schlüssels« ermittelt wird und den Straftaten im Zusammenhang mit der Einführung von Studiengebühren«, sagt Rechtsanwalt Henning Kuhlmann. Er wundert sich auch etwas darüber, dass der Beschuldigte nicht zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung vorgeladen, sondern dazu abgeholt wurde. »In diesem konkreten Fall besteht Anlass zu der Vermutung, dass die Beamten der Polizei die Hoffnung hatten, durch einen Überraschungsbesuch am frühen Morgen den Beschuldigten zu spontanen Äußerungen hinzureißen«, erklärt der Anwalt.


Ständige Anspielungen auf den Schlüssel

Für diese Vermutung sprechen Äußerungen des Beamten, der Stefan T. zur Behandlung abholte. »Als ich meinen Schlüssel holen wollte, meinte er, ich sollte doch auch gleich den Generalschlüssel mitbringen«, berichtet T. Und immer wieder seien Anspielungen auf einen Brand gefallen. »Er meinte, ob es denn bei mir im Zimmer nach Feuer riechen würde«, erinnert sich T. Sein Anwalt berichtet zudem, dass die Polizeibeamten den fallenden Benzinpreis erwähnten, als sie an einer Tankstelle vorbeigefahren seien. In der Universität hatte es nach der Gebührenentscheidung mehrere Brandstiftungen gegeben, außerdem brannte der PKW von Rektor Dieter Timmermann aus.

Rechtsanwalt Kuhlmann hat den Verdacht, »dass hier ein Gesamttatkomplex ermittelt wird«. Das habe ihm auch die Staatsanwaltschaft bestätigt. »Das kann auch bedeuten, dass hier eine Zusammenhangstat im Rahmen einer kriminellen Vereinigung ermittelt wird«, befürchtet Kuhlmann und beschreibt die Folgen einer solchen Ermittlungstaktik: »Die Möglichkeiten der Ermittlungen sind natürlich in einem Fall, in dem höhere Kriminalität ermittelt wird, also einer kriminellen Vereinigung, die irgendeinem Verbund von Gegnern der Studiengebühren angelastet wird, entsprechend höher«. Auch Telefonüberwachungen wären in einem solchen Fall möglich.

Der Staatsschutz wollte sich zum Vorwurf der Kriminalisierung der Gebührengegner, die auch der AStA der Universität erhebt, nicht äußern. Auf Anfrage erklärte der Leiter des Staatsschutzes, Dirk Butenuth: »Zu den Vorwürfen des AStA habe ich öffentlich Stellung genommen, nachzulesen in der NW vom 02.09.2006«. In dem Artikel, der eine angebliche heiße Spur suggerierte, erklärte Butenuth auch, dass man bei einer Hausdurchsuchung den Generalschlüssel der Uni nicht gefunden, damit allerdings nicht gerechnet habe.

Der Anwalt des Mannes, dessen Wohnung in seiner Abwesenheit durchsucht wurde, staunt über diese Aussage des Staatsschutzchefs: »Aus anwaltlicher Sicht kann so eine Begründung natürlich nur verwundern, denn der Hintergrund einer Hausdurchsuchung ist konkret das Auffinden von Beweismitteln«, erklärt Sebastian Nickel und macht sich seinen eigenen Reim auf die Ermittlungen: »Man kann daraus nur schließen, dass es bei der Durchsuchung um andere Gegenstände gegangen ist, möglicherweise auch nur um eine pauschale Ausforschung von Kontakten und Umfeld«. Das bestätigte auch indirekt Dirk Butenuth gegenüber der Neuen Westfälischen. »Derzeit werde noch der bei der Durchsuchung sichergestellte PC des Verdächtigen untersucht«, sagte er der Zeitung. Dass man in dem Computer den Generalschlüssel der Universität zu finden hofft, ist eher unwahrscheinlich.