Webwecker Bielefeld: Kennzeichnungspflicht für »Separatorenfleisch« (11.10.2006)

Kennzeichnungspflicht für »Separatorenfleisch« (11.10.2006)



So genanntes »Separatorenfleisch« muss auch dann gekennzeichnet werden, wenn es mit weniger Druck als üblich vom Knochen gelöst wird. Das entschied in der vergangenen Woche das Verwaltungsgericht Minden. »Separatorenfleisch« ist Restfleisch, das von Knochen gewonnen wird, indem diese unter hohem Druck durch ein Filtersystem gepresst werden. Normalerweise wird dabei Druck von teilweise weit über 100 bar angewandt.

Nach EU-Verordnungen und der deutschen Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung muss das dabei entstehende Produkt eindeutig gekennzeichnet sein. Ist es das nicht, könnte der Abnehmer über die Beschaffenheit und Art der Herstellung des Produktes getäuscht werden, urteilten die Mindener Richter. »Denn beim Erwerber könne die irreführende Vorstellung hervorgerufen werden, dass es sich nicht um »Separatorenfleisch«, sondern um ein andersartiges, höherwertiges Fleischerzeugnis handele«, urteilte die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts.

Es lehnte damit einen Eilantrag eines fleischproduzierenden Betriebs im Kreis Gütersloh ab. Der arbeitet bei der Trennung von Muskelgewebe und Knochen mit nur 30 bis 60 bar. Da die dabei entstehende Matsche eine Körnung von 3mm aufweise, wollte der Betrieb sie nicht als »Separatorenfleisch« kennzeichnen und lieferte sie unter allgemeinen Produktbezeichnungen an weiterverarbeitende Betriebe. Der Eilantrag richtete sich nun gegen eine Ordnungsverfügung, die ihn dazu verdonnerte das Kind beim Namen zu nennen. Das für Verbraucher erfreuliche Mindener Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig.


»Unangemessene Bezeichnung von Schlachtabfällen«

»Separatorenfleisch« wurde während der BSE-Krise über die fleischverarbeitende Industrie hinaus bekannt. Da bei der Produktion Bestandteile von Hirn und Rückenmark in die Masse gelangen können, ist seit dem Jahr 2000 die Verwendung von Rinder-, Schaf- und Ziegenknochen zur Gewinnung dieser Zutat für Würste verboten. Im gleichen Jahr wurde »Separatorenfleisch« als »weiteres Unwort des Jahres« ausgezeichnet. Es handle sich bei dem Begriff um eine »seriös klingende, bei BSE-Verdacht besonders unangemessene Bezeichnung von Schlachtabfällen«, urteilte die Jury damals. Auch das Bundesministerium für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit findet die Bezeichnung offensichtlich nicht ganz passend. »Separatorenfleisch ist ausdrücklich von der rechtlichen Definition als Fleisch ausgenommen«, heißt es auf der Homepage des Ministeriums.

 

 

Prost Mahlzeit!

 

Das erfreuliche Urteil des Verwaltungsgerichts Minden zur Kennzeichnungspflicht für »Separatorenfleisch« kommentiert Mario A. Sarcletti


Dass eine Pampe, die »ausdrücklich von der rechtlichen Definition als Fleisch ausgenommen« ist, entsprechend gekennzeichnet werden muss, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Ist es aber nicht, wie der Fall beweist, über den jetzt das Verwaltungsgericht Minden entschied. Denn da besaß  ein »Fleischproduzent« nicht nur die Dreistigkeit gegen die Kennzeichnungspflicht zu verstoßen, nein er hatte auch die Chuzpe, gegen eine entsprechende Ordnungsverfügung vor Gericht zu ziehen. Dass das Gericht seinen Eilantrag abwies, stärkt letztlich die Verbraucherrechte.

Ich könnte jetzt grinsen und sagen: Mir Wurst. Denn ich bin seit 15 Jahren Vegetarier. Damals hatten für mich vor allem ethische Gründe gegen den Verzehr von Fleisch gesprochen. Einerseits widerten mich Massentierhaltung und das damit einhergehende Vollpumpen der Kreaturen mit Medikamenten und Hormonen an. Andererseits fand ich es obszön, dass in den Entwicklungsländern Tierfutter für Europa produziert wird, während gleichzeitig nicht genügend Lebensmittel für die Ernährung der dortigen Bevölkerung auf den Feldern gedeihen. Hätte ich aber damals vom »Separatorenfleisch« gewusst, wäre meine Entscheidung erheblich früher gefallen. Denn was ich wohl bis dahin in Würsten und meinem heißgeliebten Leberkäs so zu mir nahm, verursacht mir auch im Nachhinein noch Ekel und ein Gefühl der Unsicherheit. Habe ich in meiner Jugend auch Rinderpampe zu mir genommen?

Das Mindener-Urteil ist erfreulich, aber es reicht nicht. Zum einen müssen die Verbraucher den profitgierigen Akteuren der Fleischbranche die Rote Karte zeigen. Oder eben bereit sein einen Preis für Fleisch zu bezahlen, den sauber produzierte Nahrungsmittel nun einmal haben müssen. Wer nur 2 Euro für ein gebratenes Kotelett bezahlt, kann nicht davon ausgehen, Qualität auf dem Teller beziehungsweise später in seinem Magen zu haben.

Zum anderen braucht es ein energisches Vorgehen der Politik gegen die Mafiosi aus der Fleischbranche, die ihren Hals nicht voll kriegen können. Und eigentlich müssten alle Theater der Republik die Brechtsche »Heilige Johanna der Schlachthöfe« auf den Spielplan setzen. Denn das Stück zeigt die Profitgier der Fleischbarone, die sich seit dem Ende der 20er Jahre offensichtlich nicht geändert hat. Und es zeigt die Lage der Arbeiter in den Schlachthöfen. Auch das ist hochaktuell. Denn die Ausbeutung von meist osteuropäischen Scheinselbständigen in der Branche ist ein weiterer ethischer Grund kein Fleisch zu essen.