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Bruderkrieg



The Wind that Shakes the Barley

Von Harald Manninga

 

Anfang der 20er Jahre in Irland. Der junge Damien O'Donovan hat gerade sein Medizinexamen bestanden und freut sich darauf, seine erste Stelle als Arzt in London anzutreten. Ihm ist natürlich nicht entgangen, was in seinem Land gerade passiert, und daher ist er wohl zunächst eher froh, dem entkommen zu können. Er beschließt dann aber doch, sich der IRA anzuschließen, der sein Bruder Teddy schon angehört, um sich gegen die britischen Besatzer und ihre bestialische Grausamkeit zur Wehr zu setzen.

Seite an Seite kämpfen die Brüder und schlagen mit der gleichen Brutalität gegen die englischen Armeen zurück. Bis zur Unterzeichung des Friedensvertrags von 1921 und der Gründung des »Irischen Freistaats«, der heute Republik Irland heißt. Dieser Vertrag und diese Staatsgründung besiegeln auch die Teilung Irlands bis heute.

Im Film bedeutet dieser Vertrag auch den Bruch zwischen den beiden Brüdern, von denen der eine, Teddy, sich den Befürwortern des »Freistaats« anschließt, während Damien diesen Vertrag für einen faulen Kompromiss hält und weiter für die Freiheit des gesamten Landes kämpft. Beide Seiten führen diesen Kampf mit erbitterter Härte und der gleichen Brutalität, mit der man vorher gemeinsam gegen die Engländer gekämpft hat. Die Bilder gleichen sich sehr. Der wesentliche Unterschied ist jedoch, dass jetzt plötzlich Iren einen erbitterten Kampf gegen Iren führen.

Regisseur Ken Loach ist für seine (oft politisch umstrittenen) Filme schon mehrfach ausgezeichnet worden. Unter anderem bekam er 1994 bei den Filmfestspielen in Venedig einen »Goldenen Löwen« für sein Lebenswerk. Dieses Jahr wurde er mit The Wind that Shakes the Barley Überraschungssieger beim Festival in Cannes und bekam dort die »Goldene Palme«.

Für Zartbesaitete Gemüter ist dieser Film nicht zu empfehlen, denn Loach zeigt den Krieg um die Freiheit Irlands in aller Grausamkeit, bei der dem Zuschauer so gut wie nichts erspart bleibt. Auf der anderen Seite gibt es zwar auch betörende Landschaftsbilder (Kamera: Barry Ackroyd, u.a. United 93). Diese dienen allerdings nicht der Entspannung, sondern erfüllen einen deutlich erkennbaren Zweck: »Schaut her, um dieses Land geht es! Haben die Iren nicht Recht, wenn sie das lieber für sich haben wollen?« Denn auch wenn es im dritten Akt (Buch: Paul Laverty) etwas unübersichtlich wird, was die Sympathieverteilung angeht, ist eigentlich doch immer klar, auf wessen Seite sich der Betrachter schlagen soll.

Leicht unübersichtlich ist allerdings auch die Fülle an Figuren, die sich um die Brüder Damien (Cillian Murphy) und Teddy (Pádraic Delany) scharen. Aufgrund dieser Fülle gelingt es nur wenigen Darstellern, ihre Rollen wirklich plastisch werden zu lassen. Es bekommen jedoch, trotz einer Filmlänge von gut zwei Stunden, auch nur wenige entsprechend Gelegenheit dazu. Zu diesen Wenigen gehören Cillian Murphy (bekannt u.a. aus Batman Begins) und Pádraic Delany, die insbesondere am Ende ein spannungsgeladenes Brüderdrama hinlegen, in dem sich die Zerrissenheit des Landes in einem höchst beeindruckend inszenierten Kristallisationspunkt darstellt.