Webwecker Bielefeld: Amin

Sind wir nicht alle ein bisschen Diktator?



»Der letzte König von Schottland«

Von Harald Manninga

Man lasse sich vom Titel des Films nicht irreführen: Hier geht es nicht um Schottland, sondern um Idi Amin, also um Uganda, das Amin in den 70ern als Diktator beherrschte. An seiner Seite steht aber doch ein Schotte, der junge Arzt Nicholas Garrigan (gespielt von James McAvoy), der nach bestandenem Examen nicht in der Landpraxis seines Vaters versauern will, sondern nach Afrika geht, um dort zu »helfen«.

Nicholas wird durch eine zufällige Begegnung mit Amin zum Leibarzt des Diktators. Dass er das als große Ehre empfindet, verwundert zunächst nicht: Dieser Diktator ist nämlich ein sehr charmanter Mann, außerdem galt Amin am Beginn seiner Herrschaft als großer Befreier vom Regime seines Vorgängers Obote und wurde auch von der westlichen Diplomatie entsprechend begrüßt und gefördert.

Schon nach kurzer Zeit zeigt sich, wie es um Amins Herrschaft wirklich bestellt ist. Das bekommt der junge Arzt jedoch sehr lange nicht mit, will es auch gar nicht mitbekommen, zu sehr ist er geblendet vom Glanz seiner scheinbaren Vertrauensstellung im Präsidentenpalast um dem Charme seines Patienten.

Die Geschichte dieses Arztes ist zwar fiktiv und die Erfindung des Autors der Romanvorlage, Giles Foden. Diese Manipulation markiert aber nur eine der vielen Brechungen, durch die die Geschichte Idi Amins nachvollzogen wird. Dazu kommen Einblicke in das kindlich, gar kindisch anmutende Gemüt des Diktators, die ihn auf schauerlichste Weise fast zu einem Sympathieträger machen. Nicht zu reden davon, was über irgendwelche Stiefellecker im Umfeld des Diktators und internationale diplomatische Verflechtungen und Interessenspiele erzählt wird.

So weist Der letzte König von Schottland weit über das sichtbar Erzählte hinaus und wird zu einer beklemmenden Anklage allen politischen und herrschaftlichen Geschehens auch in unserer heutigen Welt, in der es vor Verführungen zum Missbrauch der Macht, vor Blendwerk, Korruption – und auch Bequemlichkeit des Geistes, der nicht sehen will, was doch allzu offensichtlich ist, nur so wimmelt.

Regisseur Kevon Macdonald ist bisher vor allem mit Dokumentarfilmen wie Ein Tag im September (1999, über die Terroranschläge bei den olympischen Spielen in München) hervorgetreten, für den er den Oscar erhielt. Mit Der letzte König von Schottland legt er seinen ersten Spielfilm vor und erweist sich auch hier als großer Meister der Inszenierung. Eine Inszenierung, die dem Zuschauer so gut wie nichts erspart, denn es fließen natürlich alle hin und wieder die dem Thema entsprechenden und angemessenen Mengen Bluts. Aber das hat wohl auch niemand anders erwartet.

Wobei die wirklich ganz große Meisterleistung in der Besetzung (Casting Director: Jina Jay) des Idi Amin liegt: Forest Whitaker, der bisher vor allem in charakterstarken Nebenrollen in Filmen wie Platoon oder Phone Booth zu sehen war, aber auch schon »Erfahrung« mit biografischen Filmen hat (z.B. Bird von 1987, wo er die Rolle des Jazzmusikers Charlie Parker gab), legt hier alles bloß, was eine Schauspielerseele wohl nur hergeben kann. Völlig zu recht wurde er deshalb seit dem Start des Films in den USA im letzten September als einer der heißesten Anwärter auf den Oscar als bester männlicher Hauptdarsteller gehandelt. Und er hat ihn dann ja auch bekommen.