Webwecker Bielefeld: Charlie Wilson

Strippenzieher der Weltpolitik



»Der Krieg des Charlie Wilson«

Von Harald Manninga

Charlie Wilson (Tom Hanks) ist Kongressabgeordneter aus Texas und genießt das Leben, das ihm seine Stellung bieten kann. Viele Frauen, viele Partys, zuviel Alkohol, von Wirtschaftsbossen umworben... Ihm gehts soweit ganz gut, doch.

Aber er ist eben doch auch Politiker, und in dieser Eigenschaft macht ihm die »Situation« in Afghanistan zu schaffen. Wir befinden uns im Jahr 1980, die Russen führen Krieg in diesem Land, allem Anschein nach vor allem gegen die Zivilbevölkerung. Das Land »hat« eigentlich nichts, außer seiner geografischen Lage – die weltpolitisch auch heute noch höchst bedeutsam ist.

Charlie erkennt, dass die USA den Russen dieses Feld nicht einfach so überlassen können, allein schon wegen der Beziehungen der USA zu Afghanistans Nachbarland Pakistan. Einen offenen Krieg führen können sie aber auch nicht, sonst würde aus dem »Kalten Krieg« sofort ein »heißer«. Vor diesem Hintergrund beginnt Charlie auf mehr oder weniger eigene Faust, hinter den Kulissen die Rückschlagung der russischen Truppen zu organisieren, indem er die afghanischen Kämpfer der Mudschaheddin mit Waffen versorgt.

Natürlich kann er das nicht ganz allein; es gelingt ihm, u.a. mit der Hilfe der US-Geheimdienste, eine Allianz der Staaten des »mittleren Ostens«, incl. Israel (!), zu schmieden. Außerdem kriegt er immer wieder Geld aus Washington locker. Wie wir wissen war dieses Unternehmen damals dann auch erfolgreich, die Russen mussten sich aus Afghanistan zurückziehen.

Dieser Film beruht auf wahren Begebenheiten: Das ist damals wirklich annähernd so gelaufen, wie es hier dargestellt wird. Jedenfalls wenn alles stimmt, was Sachbuchautor George Crile in seinem Enthüllungsbestseller, der die Vorlage zum Film bildete, zutage gefördert hat.

Schon die Hälfte wäre verstörend genug: Mal so ein Einblick in die Kulissenschieberei hinter der offiziellen Politik, das ist durchaus nicht ohne. Würde aber so ganz nackt-faktisch kein großes Publikum locken, weshalb denn auch Star-Regisseur Mike Nichols (z.B. Die Reifeprüfung von 1967) und sein Drehbuchautor Aaron Sorkin (z.B. Eine Frage der Ehre, 1992) diese Geschichte zu einer Art Politsatire umschneidern.

Woran sie gut getan haben. Denn so bleibt der Stoff, erstens, nicht einfach ein »Zeitstück«, das man jetzt aus der Retrospektive sehen kann, sondern öffnet den Blick auf die »geopolitische Lage« und den Umgang mit ihr heute. (Der nicht sehr viel anders sein wird. Oder?) Zweitens wird auf diese Weise die Absurdität politischen Tuns offenbar, ohne dabei aber den Zuschauer zu sehr abzuschrecken. Wobei aber doch auch eine Reihe von Fragen offenbleiben, wie sich das für eine gute Satire gehört.

Ein weiteres gutes Werk, diesmal der Casting-Abteilung (Ellen Lewis), ist neben der Besetzung der Titelfigur mit Tom Hanks die Wahl für die Rolle des etwas abgewrackten CIA-Agenten Gust Avrakotos, der von Philip Seymour Hoffman gespielt wird. Obwohl »Oscar«-Preisträger und als Hauptdarsteller in der Schriftsteller-Biografie Capote ziemlich groß rausgekommen, ist Hoffman hierzulande noch eher unbekannt. Das dürfte sich nach diesem Auftritt (hoffentlich) ein wenig ändern, denn er gibt dem mit allen Wassern gewaschenen, geradezu abgebrühten Spion eine ganz eigene – einerseits hochkomische, andererseits dramatische, eindringliche – Note, auf die ein Bogart wahrscheinlich neidisch wäre. Allein seine Szenen in den Büros von Charlie Wilson und des CIA-Chefs verdienen jede für sich das Prädikat »Kabinettstück«.

Nahezu nicht wiederzuerkennen ist, nebenbei, der Schotte Ken Stott in der Rolle des (leicht zwielichtigen, wenn das Wortspiel erlaubt ist) Zvi Rafiah,  eines israelischen Agenten, Abgeordeneten, Waffenschiebers, was eigentlich noch alles genau?  – Falls man Stott überhaupt »schon« kennt... In Großbritannien ist er jedenfalls ein ziemlicher Star, nicht zuletzt wegen seiner Verkörperung des John Rebus in einigen der TV-Versionen der Krimis von Ian Rankin. Zugegeben, die sind in Deutschland noch nicht gelaufen, was sehr schade ist. Dafür kann man Stott zur Zeit in einer anderen Krimiserie mit dem etwas anmaßenden Titel Messias im deutschen Fernsehen sehen, und zwar auf – jawohl: – 3sat. Allerdings bedürfte es so einer »Auszeichnung« durch den Sende(r)platz nicht. Eher im Gegenteil, denn auf die Weise sehen ihn viele gar nicht erst, die ihn lieben würden. Echt ein Guter, der!

Demgegenüber wirkt Julia Roberts in der Rolle einer reichen, radikalchristlichen Society-Dame, Geldranschafferin und Türöffnerin fast farblos, aber das stört angesichts des Gesamteindrucks, den dieser Film rüberbringt, überhaupt nicht. Und diese Rolle gibt drehbuchmäßig eben leider auch nicht viel mehr als eine Schablone her. Ganz im Gegensatz zu Charlies Sekretärinnen! Die im Abspann als »Charlies Angels«, auftauchen; aber damit wären wir wieder bei den Büroszenen... Die, wie gesagt, echt großartig sind! Doch nicht allein deswegen ist dieser Film ein höchst gelungener Kommentar auf unser aller westliches  Politwesen.