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Teil 2: "Götz und Meyer" und "Ein einziges Leben"



Titel: Götz & MeyerDavid Albahari wählt für seinen Roman "Götz und Meyer" einen ähnlichen Zugang: historische Quellenrecherche bildet das authentischen Gerüst des Romans. Es geht um die Ermordung der JüdInnen aus dem Lager auf dem ehemaligen Messegelände in Belgrad. Die ehemaligen Messegebäude wurden seit dem 8.12.1941 zur Konzentration der jüdischen EinwohnerInnen Belgrads von den Nazis genutzt, 1944 wurde es aufgelöst. Die in dem Lager kasernierten Menschen wurden durch Kohlenmonoxydzuleitung während einer LKW-Fahrt von Belgrad nach Jajinci vergast. Der Ich-Erzähler, ein Belgrader Lehrer, beschäftigt sich mit diesen LKW-Fahrten, da er einer der wenigen Überlebenden seiner Familie ist, mehrere seiner Verwandten wurden in dem LKW ermordet. Fast besessen kreisen seine Gedanken um den Mordprozeß, er versucht sich der Ermordeten anzunähern, indem er sich ihre möglichen Gedanken, Hoffnungen, ihre Lebensrealität im Lager, ihre letzten Lebensmomente im LKW vorstellt. Während seiner Recherche stößt er auf die Namen der LKW-Fahrer: Götz und Meyer. "Ihre Namen werden zum ersten Mal in einem Telegramm erwähnt, dass der SS-Obergruppenführer Heinrich Müller, Chef der Gestapo in Berlin, Mitte 1942 an den Chef der deutschen Polizei in Belgrad, den SS-Standartenführer Emanuel Schäfer, schickte. (...) Zugegeben, das zog mich zu Götz und Meyer hin, mich reizte die Tatsache, dass sie keine Schräubchen in einem großen Mechanismus waren, die nicht wissen, wozu der Mechanismus dient, sondern dass sie eingeweiht waren in das Geheimnis ihres Auftrags - Todesboten und Tod zugleich." Immer stärker versucht sich der Erzähler ein Bild von den Tätern Götz und Meyer oder Meyer und Götz zu machen: Götz mag Kinder, schenkt sogar den Kindern im Lager vor der Abfahrt Bonbons, oder ist das Meyer, der das tut und sicherlich im Heimaturlaub der Ehefrau von seiner mörderischen Tätigkeit erzählt, oder ist das Götz? Götz und Meyer werden in der Vorstellung immer unkonkreter, erscheinen austauschbar. Typisch und eindeutig ist ihre Dienstbeflissenheit, keiner von ihnen bittet um Versetzung, meldet sich dienstunfähig oder dergleichen, sie erfüllen ihre Pflicht . Für den Erzähler ist es überlebensnotwendig, diese beiden zu fassen zu kriegen. "Aber solange diese Gesichter nur eine Leere wiederspiegeln und daher für jedes beliebige Gesicht stehen können, werden Götz und Meyer immer wieder zurückkehren und den Irrwitz der Geschichte wiederholen, der schließlich zum Irrwitz unseres Lebens wird." Es geht nicht nur um Götz und Meyer, sondern auch oder gerade um das Überleben eines Überlebenden. David Albahri sagt selbst "Eine Erzählung ist nie Historie, und sie respektiert die Tatsachen nur, soweit ihr das passt." Kein Problem, denn seine literarische Bearbeitung eines nationalsozialistischen Verbrechens ist gelungen und absolut lesenswert.

David Albahari, Götz und Meyer, Eichborn, 2003, 18,90 Euro
Ein einziges Leben - Acht Geschichten aus dem Krieg, Carl Hanser Verlag, 2001, 21,50 Euro


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