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Brigitte Giraud, "Das Leben entzwei"



Titel: Das Leben entzwei"Heute Abend ist Claude gestorben. Ich habe ihn geliebt. Mein Leben endet und beginnt gleichzeitig. Um das Ereignis nicht direkt benennen zu müssen, sage ich vorher und jetzt", so beginnt Brigitte Giraud "Das Leben entzwei", eine wahre, lesenswerte Geschichte. Sie erzählt fast teilnahmslos, so als beobachte sie eine Unbekannte, und doch klar und eindringlich, keinesfalls sentimental.

Es ist Sommer, in den Ferien sind im neuen Haus allerlei Arbeiten erledigt worden, der Umzugstermin ist festgelegt, die Freunde werden helfen, nur noch eine kurze Buchpräsentation in Paris. Während der Rückeise mit der Bahn verunglückt der Ehemann tödlich mit dem Motorrad. "Da fahre ich nach Paris und er stirbt. Ist er deshalb gestorben?" Gedanken, Eindrücke, Gefühle in der einen Woche zwischen Tod und Beerdigung werden beschrieben. Giraud findet Worte für das Unfassbare, den Schockzustand, das Unbegreifliche, gleichzeitig das mechanische Weiterleben, das Organisieren des Alltages, der Beerdigung: Wie soll die Leiche gekleidet sein, was soll in der Trauerrede gesagt werden, wie geht das Kind mit dem Verlust um, das anstrengende, sinnlose Verhandeln um die passende Musik während der Trauerfeier. Wie konnte es zu dem Motorradunglück kommen, was für einen Sinn hat die Rekonstruktion des Unfalls? Wo und wie finden seine Sachen in dem neuen Haus den richtigen Platz? Fast teilt der oder die Leserin das beständige Gefühl, eine Rolle, die so gänzlich unbekannt ist, nicht angemessen auszufüllen. Brigitte Giraud findet eine knappe, präzise, fast emotionslose Sprache, die die Fassungslosigkeit, den plötzlichen, tragischen Schnitt, die Konfrontation mit dem Tod ausdruckstark, aber einfach ausdrückt. Gerade das macht die Stärke ihrer Erzählung über ein Tabu aus, sie beschreibt zutreffend das Dazwischen, den Zustand zwischen Schock und Begreifen, was ein Leben ohne die geliebte Person bedeuten könnte. "Wir gehen zum Portal des Friedhofs hinaus. Ohne ihn, wir gehen zu mir, um noch ein paar Stunden zusammen zu sein. Nun gibt es sein Zuhause und mein Zuhause. Jeder für sich."

Brigitte Giraud, "Das Leben entzwei", Fischer Verlag, 2003, ca. 14 Euro

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