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Mit Blut im Mund (Leo Bassi, 16.07.2003)




Metamorphose a la Bassi: Vom honigsüßen Menschen zum Engel und schließlich zum gerupften Huhn










Der Terrorclown Leo Bassi gastierte im Theaterlabor, brachte eine Schere mit und schnitt Menschen mit einem politisch-inkorrekten T-Shirt-Logo eben dieses heraus. Ansonsten redete er.



Bericht und Fotos: Manfred Horn



Leo Bassi macht sich seit dem 11. September 2001 Sorgen: Er ist nur noch Terrorist Nr.2. Der anarchistische Terrorclown verunsicherte Jahrelang oft zu gut gekleidete Menschen auf Plätzen und in Sälen: Er machte Ernst mit dem Spaß. Nichts war ihm zu vulgär und selbst vor der Sprengung von Scheiße schreckte er nicht zurück.

Die ZuschauerInnen im Theaterlabor, in dem Bassi auf Einladung des Jugendkulturrings gastierte, die den Clown aus seinen vergangenen Bielefelder Auftritten kannten, dürften von dem neuen Bassi irritiert gewesen sein. Bei seiner Show »La Vendetta« (Die Blutrache) reduzierte er die Aktion: Statt einem permanenten und vielleicht sogar wörtlich zu nehmenden Feuerwerk an Beschuss und Zerstörung, wahlweise auf sich und auf das Publikum gerichtet, kamen die Eruptionen diesmal zwar sehr laut, aber selten. Ganz als ob Bassi begriffen hätte, dass nicht die permanente Penetration, und Provokation, die wohl auch kaum noch zu steigern war, Erfolge erzielt, sondern die wohlgesetzte.

Ansonsten sah man Bassi als Anzugträger mit einem Mikrophon, wie er, über Gott und die Welt philosophierte. Er reduzierte die Show auf das, was ihm schon immer am wichtigsten war: Sich selbst. Er vergaß nicht zu erwähnen, dass er bereits über 50 Jahre alt sei. Über 50 und in diesem Zustand: Ein Zusammenhang, der im Anlass zu vorgetragener Koketterie gab. In diesem Sinn sah das Publikum einen Individualanarchisten mit politischen Ansichten.

Sein verbaler Diskurs hatte eine gewisse wie auch gebrochene Radikalität. Der Italiener, der in Spanien lebt und dort im Kampf gegen Verflachung und Verdummung eine Anti-Big-Brother-Liga gegründet hat, versprach zu Beginn der Show, Dinge auszusprechen, die das Publikum sich nicht traue zu sagen. Er gestand, sich über die Flugzeugangriffe des 11. September gefreut zu haben. Ein offener Seelenbericht, dem er hinzufügte, dass ihm das selbst befremdlich war. Es war dieses gebrochene Element, dass sich immer wieder in die Show einfügte: Er verspritze Cola-Light und wiederholte mehrmals: Er sei eben doch kein Schwein.

Aussagen wie: »Ich hasse Israel« und eine polare, sehr simple Sicht der Welt in gut und böse, in einem bestimmten ›linken‹ Denken verhaftet, sollten das Publikum wohl reizen, spürbar reagierte aber niemand. Und wenn die Argumentation dann zu heikel wurde, zog sich Bassi zurück. In einem fiktiven Dialog mit einem reflektierten Gegenüber führte er seine politische Philosophie auf den letzten Moment zurück: Dass er dies alles nur sage und tue, weil es ihm Spaß mache. Den US-Amerikanern folgten die Taliban: Mit kleinen Gesten erzählte er die »true storie« von seinem Besuch in einer Taliban-Schule Mitte der 90er Jahre in Usbekistan. Das geschlechtsteil-kratzende religiöse Oberhaupt, so erfährt er, mag kein Theater, aber Clowns. Hier blitzte der pädagogische Bassi durch: Er schildert einen Witz, den das religiöse Oberhaupt erzählte und in dem Frauen offensichtlich diskriminiert werden. Bassi mit dem Zeigefinger: kann nicht gut sein, Taliban sind schlecht.