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Hanny Lightfoot-Klein, Der Beschneidungsskandal (Teil 2)



Nicht die Relativierung dieses gewalttätigen Eingriffes sondern die weltweite Ächtung und Abschaffung von Genitalverstümmelung ist Hanny Lightfoot-Kleins hochgestecktes Ziel. Veränderung sei aber durchaus möglich: Die Gegenüberstellung der oftmals unklaren kulturellen Wurzeln dieses Rituals mit den weitreichenden Konsequenzen für das Leben der betroffenen Kinder oder Erwachsenen bewirke eine Einsicht in die Schädlichkeit dieser Praxis. Notwendig sei ein Prozess, der alle Beteiligten ernstnimmt und einbezieht. Positive Entwicklungen: Im westlichen Gambia hat sich ein unblutiges Alternativritual durchgesetzt, das gleichzeitig die kulturelle Identität der Gemeinschaft und die Solidarität unter Frauen stärkt. In Benin trafen sich innerhalb der letzten zehn Monate 75 Beschneiderinnen zu einer "Messer-Niederlegungs-Zeremonie". Sie vergruben ihre Beschneidungswerkzeuge an einem unbekanntem Ort in der Wüste. Da sie von "non-government"-Organisationen unterstützt wurden, konnten sie andere Erwerbstätigkeiten entwickeln, um ihren Lebensunterhalt sicherzustellen.

Hanny Lightfoot-Klein bricht ein weiteres Tabu: Anfang des 19. Jahrhunderts wurden Frauen und Mädchen in Europa und den USA mittels der ärztlichen Chirurgie die Klitoris entfernt, dieser schwerwiegende und folgenreiche Eingriff galt in der Gynäkologie, damals eine ausschließliche Männerdomäne, als Heilmittel bei diversen Beschwerden. Ursache sei einerseits die allgemeine Sexualfeindlichkeit dieser Zeit, ein Ausdruck davon sei die Pathologisierung der Masturbation, einhergehend mit der Entwicklung der praktischen chirurgischen Medizin, ein beschämendes und immer noch unaufgearbeitetes Kapitel der westlichen Medizin. Noch 1936 empfahl Holt`s Diseases of Infancy and Childhood, ein angesehnes und an den amerikanischen Universitäten benutztes Standardwerk, Masturbation mit Verätzung oder Entfernung der Klitoris zu behandeln, zudem wurden bis 1935 in psychiatrischen Einrichtungen Klitorisentfernungen durchgeführt, das belegen B. und V. Bullough bereit 1977 in einer Studie.

Auch die männlichen Beschneidung wird von Hanny Lightfoot-Klein kritisch betrachtet. Bis heute werde nicht bezweifelt, dass die männliche Beschneidung gesund, hygienisch und ohne direkten Folgen für den Betroffenen sei. Beschnittene Männer berichten Gegenteiliges: schon der Eingriff wurde als gewalttätig und angsteinflößend erlebt. Sie berichten u.a. von schwer verheilenden Wunden, Schmerzen und von sexuellen Problemen, die direkt mit der Beschneidung in Zusammenhang stünden.

Die umfassenden Bearbeitung des Themas Genitalverstümmelung bietet neben den zahlreichen Hintergrundinformationen vielen authentische Aussagen von Betroffenen, sowohl Frauen als auch Männer. Sie verdeutlichen, welche weitreichenden Konsequenzen dieser Eingriff in bezug auf die physische und psychische Gesundheit hat. Hanny Lightfoot -Kleins positives Resüme`: "Der ausdauernde Kampf gegen Genitalverstümmelung zeigt erste Früchte, "die Anerkennung des Rechtes auf genitale Unversehrtheit aller Kinder, auch für die Töchter Afrikas, scheint unvermeidbar." Hoffentlich behält sie recht.

Hanny Lightfoot-Klein, Der Beschneidungsskandal, Orlanda Verlag, Berlin, 2003, 15,50 Euro

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