Webwecker Bielefeld: Lueders

Tee trinken und lieber nicht abwarten



Titel: Michael Lüders: Tee im Garten Timurs. Die Krisengebiete nach dem Irak-Krieg
Von Manfred Horn

Nein, Michael Lüders ist kein radikaler Kritiker bestehender Verhältnisse. Kulturen sind für ihn relativ feststehende Größen. Lüders setzt auf den Dialog zwischen den Kulturen: »Aber wenn ich nicht bereit bin, etwa einem islamischen Rechtsgelehrten der Al-Azhar-Universität in Kairo zuzuhören und mich mit seiner Meinung auseinanderzusetzen, ..., wenn ich ernsthaft annehme, an meinem Wesen könne die Welt genesen, dann provoziere ich Abwehr und Ablehnung«. Sicher, irgendwo trägt Lüders auch diese universalistische Folie mit sich herum, die bestimmte Maßstäbe an die Weltgesellschaften anlegt. Hier ist sein Buch angelegt: Zuhören, beschreiben, eigene Werte, die eindeutig humanistischen Idealen verpflichtet sind, einbringen. Lüders will Zusammenhänge aufzeigen und aufklären, neugierig machen auf andere Welten. Lüders Stärke liegt dabei mehr in der Beschreibung, für die Analyse von Ereignissen fehlt im doch der theoretische Tiefgang.

Wer sich auf diese Koordinaten einlassen kann, bekommt ein höchst spannendes und informatives Buch zu lesen. Der Grund: Lüders »Tee im Garten Timurs« bewegt sich in Gebieten, über die es relativ wenig in Buchform Gedrucktes gibt: Die ehemaligen Sowjetstaaten Zentralasiens. Lüders gelingt es, das Spannungsfeld zwischen sozialer Ausdifferenzierung inklusive Elend, Religion und religiös argumentierenden Bewegungen und korrupter politischer Eliten zu beschreiben. Für Lüders sind islamistische Bewegungen eine radikale Antwot auf Modernisierungsdefizite der islamischen Welt. Im »kulturellen Grenzland« Zentralasiens prallen Europäisierung und Islam aufeinander.

Nicht zufällig stellt Lüders Bezüge zum 11. September 2001 und zum Irak-Krieg 2003 her. Dies garantiert seinem Buch eine erhöhte Aufmerksamkeit. Lüders beschreibt, warum die post-talibanische Gesellschaft in Afghanistan nicht funktionierenn kann: Die sogenannte Nordalianz hat sich auf Kosten der Paschtunen die Vorherrschaft gesichert, es gibt keine gemeinsame Regierung aller Gruppen, geschweige denn Geschlechter.

Lüders lässt auch die USA nicht aus: In einem Exkurs beschreibt er, was Amerikas Neokonservative wollen. Wer allerdings die Berichte während des Irak-Krieges hierzu gelesen hat, wird in diesem Kapitel nicht viel Neues erfahren. Gleiches gilt für das letzte Kapitel des Buches, wo Lüders den »Kern des Nahostkonflikts« beschreibt: »Wie aus Israel Palästina wird«. Für jeden Autor ein schwieriges Feld, versucht sich Lüders hier gleich zu Beginn des Kapitels abzusichern, in dem er sowohl die israelische Besatzung wie palästinensische Selbstmordattentate verurteilt. In der Folge beschreibt er unter anderem die Geschichte gescheiterter Verhandlungen, weil Israel nie zu wirklichen Zugeständnissen bereit gewesen sei.

Die Stärken des Buches liegen eindeutig in den Kapiteln über Kirgistan, Kasachstan und Co. und in der Aktualität: Lüders vollendete es nach dem Golfkrieg 2003. Insgesamt durchaus empfehlenswert.


Michael Lüders: Tee im Garten Timurs. Die Krisengebiete nach dem Irak-Krieg. Arche-Verlag, 2003. ISBN: 3-7160-2321-3

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