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Vor Abschiebung geflohen (01.10.2003)



Am Abend des 25. September sollte der 43-jährige Kurde Ömer Demir aus Löhne gemeinsam mit seinem 16-jährigen Sohn Ali in die Türkei abgeschoben werden. Aber als er abgeholt werden sollte, war er bereits untergetaucht

Von Mario A. Sarcletti

Vor acht Jahren floh Ömer Demir aus der Türkei nach Deutschland. »Damals hatte ich die Illusion, dass in Europa Freiheit und Demokratie herrschen«, beschreibt er seine damaligen Hoffnungen. Als Grund für seine Flucht gibt er an, in der Türkei als Sozialist und Kurde seit seinem sechzehnten Lebensjahr verfolgt worden zu sein. Acht Jahre habe er im Gefängnis gesessen. »Seit 1981 kam ich immer wieder in das Gefängnis in Urfa, wo ich unter anderem mit Stromstößen gefoltert wurde«, so Demir.

Die Folge der Misshandlungen sind schwere psychische Störungen und chronische Rückenschmerzen, verschiedene Ärzte, darunter auch Amtsärzte, stellten Suizid-Gefahr fest. Seine Erkrankung war auch der Grund dafür, dass die Abschiebung seines älteren Sohnes Mehmet im April vergangenen Jahres gestoppt wurde. Nachdem er auf dem Sozialamt festgenommen worden war, saß der Schüler bereits in Abschiebehaft. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster schlug vor, dem Schüler eine Duldung zu erteilen, bis über seinen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis entschieden ist.

»Maßgeblich für diesen Vergleich war in tatsächlicher Hinsicht, dass nach intensiver Erörterung der familiären Situation von Mehmet Demir von einer durch das Grundgesetz geschützten Beistandsgemeinschaft zwischen ihm, seinem kranken Vater und seinem 15-jährigen Bruder Ali auszugehen ist und zudem die Erkrankung bzw. Gefährdung des Vaters den weiteren Aufenthalt von Mehmet in Deutschland erfordert«, begründete das Oberverwaltungsgericht den Vergleich.

Diese Erkrankung stellte jetzt kein Hindernis mehr für die Abschiebung Ömer Demirs dar, ein weiterer Arzt bescheinigte ihm Reisefähigkeit. Deshalb hatte das Ausländeramt des Kreises Herford die sofortige Abschiebung angeordnet. Eine Beschwerde von Demirs Anwalt vor dem OVG wollte die Behörde nicht abwarten. Als sie Ömer Demir jedoch abholen wollten, war der mit seinem Sohn Ali verschwunden, der gemeinsam mit ihm abgeschoben werden sollte.

Stattdessen erwarteten etwa zwanzig Menschen, die Abschieber vor der Wohnung der Demirs und protestierten gegen die Maßnahme. Auch die Mitschüler von Ali Demir wehren sich gegen die Abschiebung ihres Schulkollegen. Eine Delegation seiner Hauptschule setzte sich im Kreisordnungsamt für den Sechzehnjährigen ein. Sein Bruder Mehmet darf in Deutschland bleiben, bis er sein Abitur gemacht hat. Er geht auf eine Schule, die nach einem deutschen Emigranten benannt wurde, die Bertolt-Brecht-Gesamtschule.