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Unheilbare Krankheit Abschiebehaft (Teil 2)



Wie kommt es, dass elf Ärzte sagen: »Der Mann ist nicht reisefähig, der Mann ist krank und braucht Behandlung«. Und dann kommt ein Arzt, der sagt, »Der ist reisefähig«, und das ist das Ausschlaggebende.

Der wichtige Unterschied ist, dass der eine Arzt das Gutachten für die Ausländerbehörde geschrieben hat und die anderen Ärzte unabhängig waren. Auf der einen Seite ist da also dieses Gutachten, das veraltet ist und nichts über den aktuellen Zustand aussagt. Auf der anderen Seite gibt es sehr viele Gutachten von unterschiedlichen Ärzten, die seit Jahren das gleiche aussagen. Nämlich, dass mein Vater auf Grund seiner Krankheit nicht reisefähig ist. Es gibt auch schon ziemlich viele Stellungnahmen zu diesem Arzt vom Ausländeramt, die besagen alle, dass dieser Arzt nicht kompetent genug ist. Trotzdem hat sein Gutachten mehr Aussagekraft als alle anderen.


Sie standen ja letztes Jahr selbst kurz vor der Abschiebung. Könnten Sie versuchen, die Gefühle zu beschreiben, wenn man plötzlich verhaftet wird und in einem Abschiebegefängnis landet.

Das ist so, als wenn man plötzlich eine unheilbare Krankheit hat, von der man nicht weiß, wann sie ausbricht und einen töten wird. Ich selber war im Abschiebeknast und wusste nicht, wann ich abgeholt und in die Türkei abgeschoben werde, wo eine Gefahr für mich besteht. Es könnte morgen sein, es könnte aber auch übermorgen sein. Ich saß in Büren 21 Tage im Gefängnis, obwohl ich keinem Menschen was zu leide getan habe. Ich wurde verhaftet wie ein Tier, vor dem man die Zivilisation schützen muss. Und ich muss noch eines sagen: Damals entschieden die Richter des Oberverwaltungsgerichts Münster, dass ich hier bleiben darf, weil wir als Familie, als so genannte Beistandsgemeinschaft, zusammen bleiben müssen, damit ich meinem Vater im Alltag helfen kann. Also auch das Oberverwaltungsgericht erkannte den Gesundheitszustand meines Vaters an. Sollten mein Vater und mein Bruder abgeschoben werden, besteht auch für mich diese Gefahr, weil dann ja diese Beistandsgemeinschaft nicht mehr gegeben ist.


Nun waren Sie ja nicht der einzige der in Büren inhaftiert wurde, der nichts getan hat als vielleicht zur falschen Zeit im falschen Land gewesen zu sein. Da gibt es ja viele, viele Fälle. Wie ist die Stimmung unter den Häftlingen in Büren?

Die Stimmung ist natürlich gar nicht gut und man kann sich ja vorstellen, wie es in so einem Gefängnis zugeht. Ich würde es nicht einmal meinem ärgsten Feind wünschen in so eine Situation zu kommen.


Sie gehen ja zur Bertolt-Brecht-Gesamtschule. Hat Ihre versuchte Abschiebung das Klima an der Schule verändert, ist Abschiebung ein wichtigeres Thema geworden?

Ich hoffe, dass es ein wichtiges Thema geworden ist. Es hat auf jeden Fall dazu geführt, dass das Unwissen meiner Schulkollegen weg gegangen ist. Die meisten Menschen wissen ja über Asylbewerber gar nicht bescheid. Die denken, alle Asylbewerber würden dem Staat auf der Tasche liegen. Sehr wenige wissen zum Beispiel, dass Asylbewerber gar nicht arbeiten dürfen und dass sie deshalb auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Wenn sie eine Arbeit annehmen dürften, würden sie doch arbeiten. Aber dann sagen die Leute natürlich: »Asylbewerber nehmen uns den Arbeitsplatz weg«. Das ist ein Teufelskreis, aus dem wir nicht herauskommen. Aber wir können doch unser Schicksal auch nicht ändern.



Das Bündnis gegen Abschiebung Herford ruft auf, sich für ein Bleiberecht der beiden einzusetzen. Weitere Informationen und eine Protestpostkarte können Sie im PDF-Format herunterladen.




Circa 50 Menschen protestierten am Montag gegen die drohenden Abschiebungen in Herford