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Bahn fährt Richtung Abstellgleis (Teil 2)



Aus Sicht der Privat-KundInnen spielt bei der Wahl des Verkehrsmittels eine Rolle, ob das Verkehrsmittel verfügbar ist, wie lang die Reisezeit ist, ob das Reisemittel bequem ist. Jeder Kunde gewichtet anders, aber 63 Prozent der KundInnen sind nach einer Untersuchung preissensibel. Und da hat die Bahn durch die Tarifreform vom vergangenen Dezember an Boden verloren im Vergleich zur Konkurrenz PKW. Der Fahrgastverband »Pro Bahn« stellt in einer Analyse heraus, dass sich die »Akzeptanz der Bahn über kürzere und mittlere Entfernungen verschlechtert: der Preis ist auch unter Nutzung der Bahncard nicht mit dem Auto konkurrenzfähig«. Entgegen der Werbung der Bahn haben sich viele Strecken verteuert, nur auf langen Strecken kommt es zu einer spürbaren Vergünstigung, wenn entsprechend früh gebucht wird. Frühes Buchen und nutzen der sogenannten »Plan- und Spar« Tarife setzt aber drei Dinge voraus: erstens dass Mobilität planbar individuell ist, dass die Bahn sich zweitens dann auch an diesen Plan hält und drittens dass im Tarifdschungel überhaupt eine adäquate und kostengünstige Verbindung gebucht werden kann.

In die Praxis weisen alle drei Punkte Probleme auf. Spontane Bewegungsentscheidungen sind ein Merkmal einer Gesellschaft, deren Lebensrhythmus sich beschleunigt. Zehn Tage vorher wissen höchstens Urlaubsreisende, wann genau sie abfahren wollen und wann genau sie wieder zurückfahren wollen. Das neue Tarifsystem entspricht hier schlicht nicht den Lebensgewohnheiten. Anders gesagt: Wer weiterhin spontan Bahn fahren will, zahlt kräftig drauf. Als ergänzende Maßnahme setzte die Bahn mit der Einführung einer neuen Bahncard, die statt wie bis Dezember 2002 50 Prozent nur noch 25 Prozent Rabatt gewährt, noch eins hinzu. Günstigere Tarife gibt es nur bei »Reisen« und Vorab-Buchung. PendlerInnen beispielsweise sind in diesem Begünstigungssystem nicht vorgesehen.

Hat jemand eine Verbindung vorab gebucht, legt er sich damit exakt auf eine Verbindung fest. Dieses hat Konsequenzen: Kann die Bahn die Verbindung nicht einhalten, weil nach einem Umstieg beispielsweise ein Anschlusszug Verspätung hat, können die KundInnen nur unter Schwierigkeiten und Bedrohung mit finanziellen Sanktionen einen anderen, auf selber Strecke verkehrenden Zug nutzen, um zum Ziel zu kommen. Die Bahn spricht in solchen Fällen von »Kulanz«. Doch »Kulanz« ist eine gönnerhafte Tätigkeit, die auf keiner Rechtsgrundlage steht und häufig in Willkür ausschlagen kann.

Auch der dritte Punkt macht Schwierigkeiten: Die neuen Kommunikationssysteme stellen zwar Informationen zur Verfügung, doch die sind häufig unzureichend. Pro Bahn machte diverse Tests und musste feststellen, dass die Auskunftssysteme wie »Hafas«, die Datenbank mit Buchungsmöglichkeit der Bahn im Internet, nicht immer die günstigste Verbindung anzeigt. Hier sei das Hauptproblem, dass das benutzte EDV-System veraltet sei, kritisiert Pro Bahn. Wer im Internet unter www.bahn.de beispielsweise nach einer Verbindung zwischen Detmold und Hamburg suche, bekomme die günstigste Verbindung nicht angezeigt. Statt möglicher 28 Euro am Wochenende zeige das Programm einen Preis von 44 Euro an, bei Plan und Spar entsprechende Ermäßigungen. Erst durch Aktivierung einer »versteckten« Option »möglichst preiswert« zeigt der Reise-Service mit 30,40 Euro einen günstigen Preis, berücksichtigt die Vergünstigung durch das »Schöne Wochenende» aber nicht. Der Grund: derartige Sondertarife sind in das Hafas-Programm der Bahn überhaupt nicht eingearbeitet. Es ist nach Recherche von Pro-Bahn mit einiger Mühe und eigenem Wissen, dass die günstigste Verbindung nach Hamburg über Rotenburg (Wümme) führt, verbunden, kostengünstig nach Hamburg zu kommen. Wer nicht aufpasst, muss schnell ein Drittel mehr zahlen.