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Gerry Weber ist nicht nur Tennis! (18.06.2003)



Schuhe
Soweit die Schuhe tragen: Gerry Weber sucht weltweit nach Subventionen und billigen Arbeitskräften





Die Bekleidungsmarke Gerry Weber ist mit am Wochenende zu Ende gegangenen »Westfälischen Wimbledon« in vieler Munde. Doch gleichzeitig kündigt der Konzern den Mitarbeitern in Portugal, weil sich in anderen Teilen der Welt noch billigere Arbeitskräfte finden







Von Manfred Horn


Da freuen sich viele Ostwestfalen über das westfälische Wimbledon. Die Veranstalter der Gerry-Weber-Open indes beschweren sich laut über das ZDF, dass ihr Halbfinale zwischen dem Deutschen Nicolas Kiefer und Arnaud Clement beim Stand von 2:0 für Kiefer die Übertragung abbrach und stattdessen lieber ›Bravo TV‹ zeigte. Und es wird darüber gefachsimpelt, dass der Rasen nicht gut genug gewesen sei. Ein neuer muss her, der weniger an einen Golfplatz erinnert. Dafür will man die Rasenmacher des Stadions vom Fußballverein Manchester United engagieren.

Viele presseträchtige Probleme also. Und die Bekleidungsmarke Gerry Weber taucht immer auf. Das ganze Tennis-Spektakel ist eine gute Werbemaßnahme für das Unternehmen. Doch die wirklichen Probleme fangen hinter der glattpolierten Oberfläche an und werden in den Medien kaum wahrgenommen. Tennis ist nach wie vor ein Sport der Wohlhabenden. Und da schüttet man zwar Siegesprämien aus, spricht aber ungern darüber, woher die eigentlich kommen.

Gerry Weber lässt inzwischen komplett im Ausland produzieren. Mit der Einstellung der Extra-Teuer-Marke ›Yomanis‹ fallen auch die letzten verbliebenen 100 Arbeitsplätze in Halle im Kreis Gütersloh weg. Jahrelang bevorzugte Gerry Weber als Produktionsort Portugal. Dort gab es billige Arbeitskräfte und Fördermittel der Europäischen Union. Doch die Fördermittel sind ausgelaufen und mit der Öffnung der osteuropäischen Staaten gibt es dort noch billigere Arbeitskräfte. Das neue Gerry-Weber Land ist neben Asien Rumänien. Der Konzern unterziehe sich einem strikten Restrukturierungsprogramm, um aus der gegenwärtigen Krise der Bekleidungsbranche gestärkt hervorzugehen, erklärte der Vorstandsvorsitzende Gerhard Weber.

Nach einem Bericht der ›Frankfurter Rundschau‹ erfuhr das Personal von Gerry Weber in Portugal kürzlich nach einem zweiwöchigen Zwangsurlaub per Notiz an der Stechuhr, die Fabrik sei wegen wirtschaftlicher und finanzieller Schwierigkeiten geschlossen. Gerry Weber aber habe sich 1991 in Figueiró dos Vinhos, im Norden Portugals, mit der Zusage niedergelassen, mindestens bis 2007 zu bleiben. Die Gemeinde hatte sich um das Unternehmen aus Halle bemüht, preiswertes Bauland angeboten und auf eigene Kosten Zufahrtsstraßen gebaut. Für die Produktion in der strukturschwachen Region erhielt Gerry Weber EU-Mittel. Die mit dem Erhalt der Fördermittel vorgeschriebene Ansiedlungsdauer ist nach Darstellung des Unternehmens jedoch 1998 abgelaufen. Die 140 Mitarbeiter vor Ort wurden jetzt abgefunden, eine Entschädigung von 1,5 Monatslöhnen pro Jahr der Betriebszugehörigkeit.

Arbeitskraft ist für Gerry Weber nichts als Ware, die man möglichst billig irgendwo einkaufen muss. In den zahlreichen EU-Anwärterstaaten findet Gerry Weber jetzt Arbeitnehmer, die für noch weniger Geld bereit sind zu arbeiten und bekommt vielleicht sogar neue Zuschüsse von der Europäischen Union. So und nicht anders sieht der Blick hinter die strahlenden Kulissen des Sport-Events Gerry-Weber-Open aus.