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IBZ kritisiert richterlichen Stopp des Zuwanderungsgesetzes



Das rot-grüne Zuwanderungsgesetz tritt nicht zum 1. Januar 2003 in Kraft. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist das Gesetz im Bundesrat nicht rechtmäßig zustande gekommen. Die Karlsruher Richter gaben der Klage von sechs unionsgeführten Ländern statt, die die Abstimmung im Bundesrat angefochten hatten. Damit beginnt jetzt erneut ein Ringen um das Gesetz. Die Grünen kündigten an, das Gesetz ohne Änderungen erneut in den Bundestag einzubringen. Die Union hingegen legte ein Katalog mit 91 Änderungsforderungen vor. Die Union kann das Gesetz blockieren, da sie im Bundesrat über eine Mehrheit verfügt.

Das Bielefelder Internationale Begegnungszentrum (IBZ) in der Teutoburger Straße bedauerte in einer Stellungnahme die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das Gesetz sei »mit all seinen Mängeln der erste ernsthafte Versuch einer Bundesregierung gewesen, Einwanderung als politisch zu gestaltende Aufgabe wahrzunehmen«. Die Entscheidung schaffe eine »Situation größter Unsicherheit, zunächst für die betroffenen MigrantInnen«. Das IBZ prognostiziert, dass es nun ein zähes Ringen der politischen Insitutionen geben wird und einzelne Parteien aus dem Streit ums Gesetz Wahlkampfnutzen ziehen werden.








Stellungnahme des IBZ


Mußte das sein? Das Zuwanderungsgesetz mit all seinen Mängeln war der erste ernsthafte Versuch einer Bundesregierung, Einwanderung als politisch zu gestaltende Aufgabe wahrzunehmen. Und nun soll die ganze Diskussion von vorne losgehen?
Im Zuwanderungsgesetz wird Integration zum ersten Mal auch als Anforderung an die bundesdeutsche Gesellschaft und nicht mehr nur als Anpassungsleistung der Zuwanderer verstanden. Doch die Umsetzung dieser Leitlinie fiel bescheiden genug aus: Ein Kompromiß beim Nachzugsalter der Kinder, eine unvollständige Erweiterung der anerkennungsfähigen Fluchtgründe, neue Unsicherheiten für einen Teil der bislang "Geduldeten", die zumeist aus Bürgerkriegsgebieten stammen - da blieben viele Wünsche offen.

Die besondere Leistung des Gesetzes liegt nach unserer Ansicht jedoch in einer neuen Sicht von Zuwanderung: Zuwanderung wird zur Normalität, zu einem alltäglichen Bestandteil der Entwicklung der bundesdeutschen Gesellschaft. Diese Normalität begründet die Hoffnung, daß populistischen Rattenfängern zukünftig der Boden entzogen wird. Die Chance wäre da, sich den Möglichkeiten und den realen Problemen des Zusammenlebens zuzuwenden.

Die Entscheidung des Gerichts schafft eine Situation größter Unsicherheit, zunächst für die betroffenen MigrantInnen, insbesondere die mit prekärem Aufenthaltsstatus. Aber auch für die Einrichtungen, die alltäglich Integrationsarbeit machen, wie etwa die Anbieter von Deutschkursen, die derzeit keine Grundlage haben, auf der sie Angebote für 2003 finanzierungssicher planen können.

Das Verfassungsgericht kritisiert das Verfahren im Bundesrat, nicht die Inhalte des Gesetzes. Dennoch steht nun das Gesetz erneut zur Diskussion. Es wäre hilfreich, wenn eine sachbezogene Diskussion zur zügigen Verabschiedung einer akzeptablen Regelung führen würde. Zu erwarten ist jedoch eher, daß ein zähes Ringen in allen Instanzen - Bundestag, Bundesrat, Vermittlungsaussschuß - die drängenden Fragen noch für Monate in der Schwebe halten wird.

Einzelne Parteien werden aus dem Streit ums Zuwanderungsgesetz Wahlkampfnutzen ziehen. Die MigrantInnen haben nichts davon - und der gesellschaftliche Integrationsprozeß ebenfalls nicht.

Bielefeld, 19.12.2002 Für MitarbeiterInnen und Vorstand: Peter Geiger