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Kruse-Prozess vor Einstellung? (Teil 2)



Damit ein Verfahren eingestellt wird, muss zudem weiterhin ein hinreichender Tatverdacht bestehen, da die Angeklagten sonst freizusprechen wären. Der Verdacht ist für Dieter Fels hinreichend, sowohl in Bezug auf den Komplex Wilhelm-Bertelsmann-Straße als auch auf die Vorgänge um die Naharyastraße. Zu letzteren zitierte Richter Fels aus der Aussage des Geschäftsführers der Aids-Hilfe Bielefeld, Peter Struck Es sei allen klar gewesen, dass sich die drogenabhängigen Frauen prostituieren würden, habe Struck in einer Vernehmung geäußert. Ob das Vorgehen der Polizei von der Staatsanwaltschaft gedeckt worden sei, sei jedoch nicht klar, so Fels. Da es keine Protokolle oder Vermerke über die Besprechung gebe, könne auch nicht geklärt werden, was bei den Beratungen von Polizeiführung und Staatsanwaltschaft zum Konzept Naharyastraße im Jahr 1999 besprochen worden sei und ob es unter den Beteiligten unterschiedliche Auffassungen darüber gegeben habe, was strafbar sei.

Für den Vorsitzenden Richter besteht auch weiterhin der Verdacht, dass Drogenabhängigen in der niedrigschwelligen Kontakt und Beratungsstelle die Möglichkeit zu Konsum und Handel illegaler Drogen gewährt wurde. Der Tatbestand sei laut § 29des Betäubungsmittelgesetzes sehr weit gefasst, erläutert Fels. Erschreckend sei es, wie schnell man den erfülle. »Wenn man weiß, dass jemand drogenabhängig ist, dem sein Auto zur Verfügung stellt und der spritzt darin Drogen, macht man sich schon strafbar«, erklärte Fels. Erschreckend ist der Paragraph tatsächlich, vor allem für Mitarbeiter von Einrichtungen der Drogenhilfe. Vielleicht könnte der Bielefelder Prozess für die Bundesregierung und ihre Drogenbeauftragte ja ein Auslöser dafür sein, über den Paragraphen nachzudenken.

Für Richter Fels erfüllt der Prozess auch die Einstellungsbedingung, dass die »Schwere der Schuld« der Einstellung nicht entgegensteht. »Kein Angeklagter hat einen wirtschaftlichen Vorteil aus dem »Gewähren den Möglichkeit« erstrebt oder erhalten«, so Fels. Vielmehr sei das Motiv für die »Taten« das Hilfsangebot für Drogenabhängige gewesen, die Fels als Kranke bezeichnete. Es hätte auch ein gesellschaftlicher Konsens darüber geherrscht, dass man in Bielefeld keine offene Drogenszene will, sondern diese an einem sozialverträglichen Ort konzentriert wird, so Fels. Der Richter weiß zudem: »Dass damit strafrechtliche Risiken verbunden waren, war allen Beteiligten bekannt. Einige mussten diese Risiken tragen«. Einige die diese Risiken getragen haben, sitzen zur Zeit auf der Anklagebank im Bielefelder Landgericht.

Weitere Gründe, die für Richter Fels gegen eine schwere Schuld sprechen, sind die lange Verfahrensdauer und die Schwere des Delikts der Prostitution im Sperrbezirk. »Das ist ein Delikt, das gerade noch so die Aufmerksamkeit von Oberstaatsanwalt Specht erreichte«, erinnerte Dieter Fels an die Zeugenvernehmung des stellvertretenden Leiters der Staatsanwaltschaft. Mildernd wertet er auch die Beschreibung des schwierigen Alltags in der Kontakt- und Beratungsstelle durch deren Leiter Wolfgang Rossel: »Die persönlichen Risiken gingen weit über das Maß einer normalen Berufsausübung hinaus«, zeigte sich Fels von Rossels Ausführungen beeindruckt.

Die fünfte Bedingung für eine Verfahrenseinstellung ist noch nicht gegeben: Alle Verfahrensbeteiligten müssen der Einstellung zustimmen. Am kommenden Dienstag wollen sie sich dazu äußern. Vielleicht ist das der letzte spannende Prozesstag um das Bielefelder Drogenkonzept. Ein Ende der Bedrohung von Konzepten für die Drogenhilfe und Mitarbeitern von Drogenhilfeeinrichtungen ist damit aber noch nicht gegeben. Das kann nur die Politik durch eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes herbeiführen.