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Klaus Weber, Blinde Flecken. Psychologische Blicke auf Faschismus und Rassismus



Titel: Blinde Flecken. Psychologische Blicke auf Faschismus und Rassismus

Die Wissenschaft Psychologie hat es, so Klaus Weber "mehr als 50 Jahre nach dem deutschen Faschismus noch immer nicht geschafft, Forschungsfragen und Forschungsmethoden zu entwickeln, die in der Lage sind, die subjektive Seite von Täterschaft und Mitläufertum auf den Punkt zu bringen." Das dies nur unter Einbeziehung der gesellschaftlichen und sozialen Verhältnisse geschehen kann, versteht sich eigentlich von selbst. Die Auseinandersetzung mit der Rolle der Psychologie oder den Aufgaben und Funktionen anerkannter PsychologInnen während des Faschismus findet nicht statt, bzw. wird verharmlost oder gänzlich geleugnet. Psychologie diene dem Menschen und könne daher nicht mit Faschismus zu tun gehabt haben oder die Faschisten hätten solch eine Wissenschaft nicht geduldet. Das solche Aussagen jeglicher Grundlage entbehren wird z.B. an biografischen Aspekten einzelner PsychologInnen, die während des Faschismus tätig waren, deutlich. Da gibt es z.B. eine Hildegard Hetzer, die als Erziehungsberaterin für die Faschisten tätig war und im Rahmen des Besetzung Polens begutachtete, ob polnische Kinder "eindeutschungsfähg" waren. Hetzer war an Kinderselektionen beteiligt und ist deshalb eindeutig als Täterin zu beurteilen. Zudem vertritt sie Erziehungsziele, die primär auf die reibungslose Ein- und Unterordnung in die Gemeinschaft Wert legen. Sie spricht von "gesunden" und "erbunerfreulichen" Kindern. Wie viele andere Täter setzte sie ihre Karriere in der BRD ohne Probleme fort, sie arbeitete bereits 1946 als Dozentin und hatte seit 1961 den Lehrstuhl für pädagogische Psychologie in Gießen inne. Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie ernennt Hildegard Hetzer 1981 zum Ehrenmitglied "und zwar ausdrücklich in Anerkennung der Kontinuität ihrer bahnbrechenden Untersuchungen mit Kindern und Jugendlichen."

Interessant auch, dass die "qualitative Auslese" von Offiziersanwärtern eines der ersten wichtigen praktischen Arbeitsgebiete des Psychologie war. (Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg musste das deutsche Heer auf maximal 100.000 Mann und 4000 Offiziere begrenzt werden.)

Gerade der biografische Blick auf Einzelne macht die "blinden Flecken" sichtbar und zeigt, welche Positionen von PsychologInnen während des Faschismus eingenommen wurden und wie bruchlos TäterInnen oder MitläuferInnen nach 1945 tätig waren. Sicherlich nicht nur für PsychologInnen interessant, aber denen sei es besonders empfohlen.

Klaus Weber, Blinde Flecken. Psychologische Blicke auf Faschismus und Rassismus, Argument Sonderband Neue Folge 296, 2002, 15,50 Euro

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