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Berichterstattung pro neoliberalen Hochschulumbau (21.01.2004)



Ein Kommentar von Mario A. Sarcletti

Die Berichterstattung über die Pläne der Universitäten Bielefeld und Paderborn über das so genannte Hochschulkonzept 2010 in der WDR Lokalzeit ist bei der Prüfung nach journalistischen Maßstäben glatt durchgefallen, als Werbemaßnahme für das Konzept bekommt sie dafür eine Eins. Die Pläne von Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft sehen vor Studiengänge an den Hochschulen zu streichen, und bestimmte Fächer an einzelnen Unis zu konzentrieren. So sollen in Bielefeld nach Slawistik und Latein die Studiengänge Französisch und Spanisch platt gemacht werden, Lehrer nur noch an drei Unis im Land ausgebildet werden.

In der Lokalzeit kamen fast nur Befürworter der von hochschulpolitisch Interessierten durchaus kritisch betrachteten »Reform« zu Wort. Ausnahme waren zwei Bielefelder Französischstudentinnen, die selbst ebenso betroffen sind, wie ihr Dozent, der auch ein kurzes Statement abgeben durfte. Als weiterer Alibistudierender durfte der Paderborner AStA-Vorsitzende eine Liste der in Frage gestellten Studiengänge verlesen. Die Rektoren Timmermann und Risch hingegen konnten ihre bildungspolitischen Argumente für die Reform darlegen, solche die das Hochschulkonzept kritisieren kamen in dem Beitrag nicht vor.

Dass als Studiogast dann auch noch Tassilo Schmitt von der Bertelsmann-Werkstatt für neoliberalen Bildungsumbau namens Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) die Trennung von Forschung und Lehre fordern durfte, zeigt eklatant die Unausgewogenheit der Berichterstattung. Diese Trennung folgt dem momentanen Kurs in der Bildungspolitik weg von Bildung, hin zur Ausbildung. Erstere dient dem Individuum, letztere bedient die Interessen der Wirtschaft. Die Verzahnung von Forschung und Lehre sorgt auch dafür, dass die Studierenden neueste Erkenntnisse lernen, ihre Beteiligung an Forschungsprojekten stellt Weichen für eine wissenschaftliche Karriere.

Wie sehr die Reformvorschläge des CHE an der Wirklichkeit der Studierenden vorbeigehen, zeigt die Forderung Schmitts – übrigens als Dienstrechtsexperte nicht wirklich Fachmann in Studierendenfragen – nach mehr Mobilität der Studierenden in NRW. Sie sollen nach Schmitt die gewünschte Fächerkombination an verschiedenen Hochschulen zu studieren, also zum Beispiel in Paderborn und Düsseldorf gleichzeitig die Universitäten besuchen. Dabei das Bundesland Nordrhein-Westfalen mit der Stadt Berlin zu vergleichen, wo der Akademikernachwuchs laut Schmitt ja auch an verschiedenen Universitäten studieren würde, entlarvt den Propagandaauftrag des CHE.

Statt kritische Fragen zu diesem Generalangriff auf das Recht auf Bildung und freie Berufswahl in diesem Land zu stellen, unterstützt die Berichterstattung den neoliberalen Hochschulumbau. Die Frage ist, ob aus Überzeugung oder aus Uninformiertheit und Desinteresse. Für letzteres spricht, dass Moderatorin Tine Charton das CHE als das »Zentrum für Hochschulforschung« bezeichnete und in der Anmoderation des Beitrags davon fabulierte, dass es in Zukunft eine Germanistik-Uni, eine Französisch-Uni und so weiter geben könnte.

Die Gründe für den Hintergrund der unausgewogenen Berichterstattung sind aber eigentlich auch egal. Schlimm ist sie in jedem Fall. Denn die unkritische Haltung der Medien – nicht nur des WDR – gegenüber den »Reformen« in der deutschen Hochschullandschaft ermöglicht die Einführung von wirtschaftsorientierten Bachelorstudiengängen, Einführung von Studiengebühren und die Abschaffung von nicht so leicht verwertbaren Studiengängen, wie etwa der Bielefelder Fakultät für Theologie, Geographie, Kunst und Musik vor drei Jahren. So wird es wohl in Zukunft einen noch größeren Mangel an Menschen geben, die die zur Zeit in allen gesellschaftlichen Bereichen stattfindenden Reformen kritisch hinterfragen. Auch in den Medien.