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Echterhoff: Die Kommunen brauchen wieder mehr Steuereinnahmen






Von Manfred Horn

In Bielefeld gibt es inzwischen über 700 Millionen Euro Kommunalschulden, die meisten davon in den vergangenen Jahren aufgetürmt. Jährlich steigen die Schulden der Stadt um knapp 200 Euro pro Einwohnerkopf, ein Ende ist nicht in Sicht.

Vor allem ein Ergebnis verfehlter Steuerpolitik, erklärte Raimund Echterhoff, ver.di NRW Fachbereichsleiter Gemeinden, am Donnerstag abend bei einer Veranstaltung des Sozialen Forums Bielefeld. Doch zunächst ein kleiner Blick zurück: Noch 1999 schien die Welt der NRW-Kommunen noch halbwegs in Ordnung. Die Schulden schienen bewältigbar, im Haushaltsjahr 1999 gab es nahezu überall ausgeglichene Haushalte. Zwar stimmte dies auch damals schon nicht, denn mit der Kohl-Regierung ab 1982 kam nicht nur die vielzitierte geistig-moralische, sondern auch die ökonomische Wende: Die Unternehmensgewinne müssen gesteigert werden. An dieser Maxime habe sich bis heute nichts geändert, mehr noch, sie ist unter der rot-grünen Bundesregierung weiter verschärft worden, ist sich Echterhoff sicher.

Die einfache Logik, die dahinter steht: Machen Unternehmen mehr Gewinne, bleiben sie dem Standort Deutschland erhalten, investieren, schaffen Arbeitsplätze. »Bis 1998 wars Kohl, heute wird’s Köhler«, skandiert Echterhoff und trifft damit den Nagel auf den Kopf: Neben Rot-Grün verfolgen die Christdemokraten das gleiche Wirtschaftsmodell – hätten sie Regierungsmacht, wahrscheinlich noch ein Stück konsequenter.

Seit 1999 hat sich die wirtschaftliche Situation gerade für die Kommunen erheblich verändert. 180 Kommunen in NRW sind im sogenannten ›Haushaltssicherungskonzept‹, müssen also dem jeweiligen Regierungspräsidenten einen Haushalt zur Genehmigung vorlegen. 70 dieser Kommunen haben allerdings so einen schlechte Finanzsituation, dass ihr Haushaltsentwurf vom Regierungspräsidenten gar nicht genehmigt wird, es wird mit einem Nothaushalt gewirtschaftet. Dabei entscheidet letztlich der Regierungspräsident, was wofür ausgegeben werden darf.

»Heute haben wir die niedrigste Steuerquote seit dem 2. Weltkrieg«, sagt Echterhoff. Neben der konjunkturellen Krise macht er vorallem die unternehmensfreundliche Steuergesetzgebung der rot-grünen Bundesregierung für die Krise der Kommunen verantwortlich. Bei denen kommen immer weniger Steuermittel an. Durch diverse gesetzliche Änderungen, zum Beispiel bei der Körperschaftssteuer, bleiben die Stadtsäckel leer: »Bis 2000 gab es bundesweit jährlich Körperschaftssteuer in Höhe von neun bis 22 Milliarden Euro für die Kommunen, 2001 mussten sie das erste Mal sogar auszahlen«, sagt Echterhoff. Im Jahr 2002 waren die Einnahmen aus der Tabaksteuer größer als die aus der Körperschaftssteuer, sagt Echterhoff.

Große Unternehmen beschäftigen inzwischen eigene Abteilungen, die nichts anderes tun als zu planen, wie möglichst keine Steuern gezahlt werden müssen. »Da werden Schulden verschoben, Tochterunternehmen gegründet, die dann wiederum vom Konzern Produktionshallen mieten« – Echterhoff kennt sie, die legalen Tricks der Unternehmen. Die sieben Münchner Großunternehmen haben das Ziel schon erreicht: Siemens, BMW, Münchner Rück, Infineon, Allianz, Hypo Vereinsbank und MAN zahlen überhaupt keine Steuern mehr, oder wie Echterhoff sagt: »Weniger als einziger Arbeitnehmer«.