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Folter und Mißhandlungen drohen (Teil 2)



So ist die Stimmung unter den 200 ostwestfälischen Flüchtlingen angespannt bis verzweifelt. Bei der Kundgebung am Samstag präsentierten sie einen offenen Brief an die Bundesregierung, an die Mitglieder des Bundestags und an das Verwaltungsgericht Minden. Darin schreiben sie, dass sie nach Deutschland gekommen seien, weil es für sie keinen anderen Ausweg gab. Und sie verweisen auf Schweden und Finnland, wo es einen Abschiebestopp nach Tschetschenien gebe. In Deutschland sei dies anders. So würden deutsche Behörden Dokumente und Bescheinigungen verlangen, die die Verfolgung im Heimatland belegen. Doch weder in Russland noch in Tschetschenien seien solche Dokumente zu erhalten, da sie von Seiten der russischen Beamten eine Anerkennung der verübten Verbrechen bedeuten würde. Dies gelte auch für Pässe, die von russischen Beamten herausgegeben werden: »Wenn ein Tschetschene aufgrund einer Bombardierung oder irgendeiner anderen kriegerischen Ursache seinen Pass verloren hat, dann wird der Erhalt eines neuen für ihn mit einem Risiko für sein Leben verbunden sein«, schreiben die Flüchtlinge.


Freilassungen nur gegen Bestechung

Weiter berichten die Flüchtlinge davon, dass es für sie auch keine Möglichkeit sei, statt nach Tschenenien nach Russland zu gehen. Russland wird von deutschen Gerichten oft als Fluchtalternative genannt, Abschiebungen finden dorthin statt. »Wir befinden uns in Russland ausserhalb des Rechtsstaats«, schreiben die TscheschenInnen aus Ostwestfalen. Sie würden in ganz Russland als Feinde gelten, niemand würde sie dort vor Übergriffen schützen. Dass in Russland vereinzelt Tschetschenen verhaftet und anschließend wieder frei gelassen worden seien, sei kein Beleg für einen Rechtsstaat. Die Betroffenen seien schlicht freigekauft worden.

Bei den Festnahmen von Tschetschenen handelt es sich oft nicht um offizielle Festnahmen. Für die Betroffenen gibt es kein rechtsstaatliches Verfahren, keine offizielle Anklage. Tschetschenen sind für viele quer durch die russische Gesellschaft generell Terroristen und Verbrecher. Unmittelbar nach dem Bombenattentat in der Moskauer Metro im Februar – niemand wusste, wer die Attentäter sind – bezeichnete der russische Präsident Putin tschetschenische Terroristen als Urheber und erklärte: »Russland verhandelt nicht mit Terroristen. Es vernichtet sie«.

Schon allein auf Grund der Tatsache, dass die Flüchtlinge im Ausland waren, könnten sie nach Artikel 322 des russischen Strafgesetzbuches bis zu fünf Jahren Haft verurteilt werden. »Unsere Heimat liegt in Ruinen und wenn es einen zweiten Ort gäbe, wohin wir fliehen könnten, würden wir dorthin gehen«, schreiben die Flüchtlinge abschließend. Sie fordern die deutsche Bevölkerung auf, mit dazubeitragen, dass die Kriegshandlungen in Tschetschenien gestoppt werden. Sie wollen »ohne die tägliche Drohung einer Abschiebung nach Russland« so lange in Deutschland bleiben, bis sich die Situation in ihrer Heimat stabilisiert hat.

Mit dieser Minimalforderung stehen die Flüchtlinge nicht alleine, sie werden unter anderen von amnesty international und dem Bielefelder Flüchtlingsrat unterstützt.

Den offenen Brief kann noch unterschrieben werden. Kontakt: Bielefelder Flüchtlingsrat, fon: 0521-60574