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Europa der Aufrüstung (Teil 2)



Mit dem Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten samt ihres Verteidigungspaktes habe ich Anfang der 1990er Jahre die Friedensdividende nicht eingestellt. Die europäischen Staaten begannen, über ihre eigene Verteidigung nachzudenken. Im Maastrichter Vertrag von 1992 gab es bereits ein Kapitel dazu, später in der Petersburger Erklärung. 1999 dann in Helsinki der Beschluss, eine europäische Streitmacht mit 60.000 Soldaten aufzustellen. 2000 einigten sich die Verteidigungsminister darauf, ihre Rüstungsausgaben zu vereinheitlichen.

Die Vereinheitlichung und Aufrüstung manifestiert sich im zweiten und dritten Absatz des §40: »Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik umfasst die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik der Union. Diese führt zu einer gemeinsamen Verteidigung, sobald der Europäische Rat einstimmig darüber beschlossen hat«, heißt es da. Und: »Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern«.

Absatz 4 regelt, dass Beschlüsse über die Einleitung einstimmig vom Rat auf Vorschlag des Außenministers der Union oder eines Mitgliedstaates erlassen werden. Das Europäische Parlament hat hier nichts zu melden: Es wird lediglich gehört, hat aber keine Entscheidungsbefugnis. Rechtlich unklar ist, ob die nationalen Parlamente, soweit zuständig, eine EU-Militäraktion blockieren können. Ebenfalls keinen Einfluss hat das Parlament auf die Höhe des europäischen Rüstungsetats. Diesen machen die Verteidigungsminister der EU unter sich aus.

Markant auch das europäische Amt für Rüstung, praktischer Ausfluss von Solanas Vorschlag einer EU-Agentur für Rüstungszusammenarbeit. Becker kritisiert hier vor allem, dass ein entsprechendes Amt zur zivilen Konfliktbearbeitung in der Verfassung fehle. Dennoch sieht er auch Erfolge: Ialana habe es geschafft, Formulierungen wie »Konfliktverhütung« in dem Paragraphen unterzubringen, auch die Anbindung der Militärentscheidungen an die Charta der Vereinten Nationen. Dort sind einzelne Schritte zur Konfliktlösung definiert, erst als letzter Schritt ist eine militärische Intervention vorgesehen. Becker wünscht sich ein Amt zur zivilen Konfliktbearbeitung, dafür will Ialana weiter Lobby-Arbeit betreiben. Becker hält beispielsweise Embargos für ein erfolgversprechendes Mittel und zitiert hier das Embargo gegen den damaligen Apartheids-Staat Südafrika.




Einer Demokratie nicht würdig



Ein Kommentar von Manfred Horn

Die Verfassung erhält einen Aufruf an die Mitgliedsstaaten zur permanenten Aufrüstung. Damit erfährt die EU 15 Jahre nach Zusammenbruch der realsozialistischen osteuropäischen Staaten einen Paradigmenwechsel. Aus der westeuropäischen Handelsvereinigung wird jetzt auch ein Militärbündnis. Inklusive der Unterstützung des Kampfes gegen Terrorismus: Damit nähert sich die EU den USA an, selbst Präventivkriege sind so nicht mehr ausgeschlossen. Der einzige große Vorbehalt: Die Beschlüsse für einen Krieg müssen der Charta der UN entsprechen.

Neben dem militärpolitischen Aspekt enthält die EU-Verfassung noch weitere Komponenten, die unter anderem deutlich vom Grundgesetz der Bundesrepublik abweichen und eine neoliberale Handschrift tragen: Freie Fahrt für Güter und Dienstleistungen, kaum verankerte soziale Rechte.

Das eigentliche Unding: Die Verfassung ist in Deutschland so gut wie nicht diskutiert worden. Offenbar denkt die Bevölkerung, die EU-Verfassung sei bedeutungslos. Damit aber wird die EU unterschätzt. Der anonyme und weit entfernte Apparat diktiert schon heute 70 Prozent der Gesetze, die im Bundestag verabschiedet werden. Die Politiker ihrerseits haben den Diskurs in keiner Weise angefeuert. Scheinbar waren sie ganz froh, in aller Ruhe und hinter verschlossenen Türen ihre Verfassung aushandeln zu können. Den Medien ihrerseits ist das Konstrukt EU wohl zu schwer vermittelbar, sie haben hier insgesamt versagt.