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Total tolles Multikulti (09.06.2004)



Am Dienstag fand in der Universität Bielefeld das vom AStA organisierte Fest der Kulturen statt. Konzerte, Tanzvorführungen und Verkaufsstände sollten für Toleranz werben. Dazu ein Kommentar von Mario A. Sarcletti

Schön sahen sie aus: Die Indonesierinnen, die exotische Tänze zeigten, und die Afrikanerinnen, die so tolle bunte Stoffe verkauften. Der Marokkaner hatte feinen Tee im Angebot, sogar Frauen mit Kopftuch konnte man an dem Stand sehen. Die Tunesier daneben trommeln, was das Fell hergibt. Und die Asiaten können so was von lecker Essen zaubern, einfach schön das Fest der Kulturen in der Unihalle.

Leider konnte ich als Österreicher nicht mitmachen: Ich hatte meine Lederhose verlegt, das Jodeln ist auch nicht so meine Sache. Ansonsten hätte ich natürlich liebend gerne »meine« Kultur dargestellt. Aber welche war das noch mal? War es die Moiksche Musikantenstadlkultur oder die Mutterkreuzkultur eines Jörg Haider? Oder wäre das sowieso als deutsche Kultur durchgegangen? Oder ist meine Kultur gar die von meinen Landsleuten vom Volxtheater, die am Rande der G8-Proteste von Genua verhaftet wurden?

Ernsthaft gefragt: Was soll das Ethnospektakel in der Uni? Es bietet einen Markt für Multikulti-Merchandising, ein Beitrag gegen Rassismus ist es wohl kaum. Denn die Reduktion von Studierenden mit anderem Pass auf ihre Herkunftskultur fördert eine Toleranz, die nicht weh tut. Toleranz kommt von lateinisch »tolerare«, das heißt erdulden. Trommelnde afrikanische Studierende können wahrscheinlich auch NPDler tolerieren. Auch die deutschen Kolonialherren genossen schließlich die Trommelklänge am Lagerfeuer.

Ein Fest der Kulturen in der Universität muss zeigen, dass es eben nicht »die« deutsche, afrikanische oder asiatische Kultur gibt, die man voll Nationalstolz zelebriert. Es muss zeigen, dass es an der Uni eine studentische Kultur gibt, die überkommene, kulturalistische Stereotype aufbricht. Das muss das Ziel von studentischen Aktivisten sein, die spätestens seit den Sechzigerjahren auch die Aufgabe hatten, veraltete Denkschemata anzugreifen. Ein solches Schema ist die Kategorisierung von Menschen auf Grund ihrer Herkunft. Genau das haben die Studierendenvertreter - die sicherlich andere Intentionen hatten - gemacht.

Ich wünsche mir für das nächste Fest der Kulturen indonesischenglischdeutsche Punkbands, algerischisländische Hip-Hop-Combos und russischchinesische Reggae-Bands, denn dieses Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft ist studentische Kultur. Und ich wünsche mir auch, dass bei dem Event die Diskriminierung ausländischer Studierender in unserer total toleranten Gesellschaft thematisiert wird. Von der Visaerteilung , über Studiengebühren für ausländische Studierende bis zur Wohnungs- oder Arbeitssuche. Denn der Termin bei Ausländerbehörde oder Arbeitsamt ist das wahre Fest der Kulturen. Hier treffen unterschiedlichste Kulturen aufeinander: Eine junge, internationale und eine altdeutsch bürokratische.

Sollte das alte Fest der Kulturen im kommenden Jahr ohne eine überarbeitete Konzeption stattfinden, drohe ich schon mal an: Ich komme in Lederhose! Und jodle.