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Gabriele Rollnik, Daniel Dubbe, »Keine Angst vor niemand. Über die Siebziger, die Bewegung 2.Juni und die RAF« (Teil 2)



Gabrielle Rollnik entwirft kein verklärendes Bild des 2.Juni, sie legt keinen Wert auf Mythenbldung. Erzählt werden einige Details, die bislang wenig auftauchen, allerdings nichts Reißerisches, Sensationelles. Ein längerer Teil des Interviews widmet sich dem Leben im Knast: die „Isolationsfolter“ mit ihren Auswirkungen, die Hungerstreiks um Normalvollzug oder Zusammenlegung werden erläutert. Ruhig, selbstkritisch, auch nach der langen Haft ungebrochen und kämpferisch, tritt Gabriele Rollnik weiterhin für das Recht auf Widerstand ein. Sie räumt politische und persönliche Fehler bzw. Fehleinschätzungen ein, erläutert diese aus dem gegenwärtigen Blick auf die damaligen Ereignisse: die Debatten in der sich internationalistisch verstehenden Linken um den Vietnamkrieg, die Kämpfe der Befreiungsbewegungen, das Gefühl, an einer positiven, sozialistischen Entwicklung teilzuhaben, diese voranzubringen. Moralische Entscheidungen, konsequente Lebensentwürfe schienen notwendig und wurden auch getroffen, so aus der Uni in die Fabrik, aus der Fabrik in die Guerilla. Der Umgang mit den eigenen GenossInnen und die mangelnde politische Reflexion über politische Strategien wird von Gabriele Rollnik im Rückblick als problematisch und mehr als unzureichend kritisiert. „Das ist offensichtlich immer eine Gefahr bei allen revolutionären Gruppen und Bewegungen. Fast alle haben Leichen im Keller. (...) Das ist ein Zeichen dafür, daß die Situation nicht reif ist und du bist es auch nicht. Von daher sage ich auch, wir sind zu Recht gescheitert. (...) Aber es muß nicht zwangsläufig so sein. Wenn eine Bewegung sich dieser Abläufe bewusst ist, kann sie einen solchen Rückfall verhindern und das Befreiende des Kampfes kann überwiegen Das ist meine Hoffnung.“

Ein aufschlussreiches, gut lesbares Interview. Schade, dass der Interviewer aktuelle Debatten nicht aufgegriffen hat und immer noch Begriffe wie Schokoküsse oder Down-Syndrom verwendet, vielleicht findet er das angesichts der großen Geschichte unwesentlich?(rk)

Gabriele Rollnik, Daniel Dubbe, „Keine Angst vor niemand. Über die Siebziger, die Bewegung 2.Juni und die RAF“, Edition Nautilus, 126S., 2004, 9,90 Euro

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