Webwecker Bielefeld: taghartz02

Tag des Hartzes (Teil 2)



Dass auch für ihn die Vermittlung in Arbeit das Wichtigste ist, dafür nennt Clausen auch finanzielle Gründe. Die Kommune muss für den Großteil der Unterbringungskosten der Betroffenen und ihrer Familien aufkommen, der Bund übernimmt 29,1 Prozent. 4,17 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter werden bezahlt, die Sozialberatung Widerspruch e.V. befürchtet, dass wegen der durchschnittlichen Miete von 5,07 Euro in Bielefelds normalen Wohnlagen viele Empfänger von ALG II umziehen müssen. Günther Garbrecht hält das für Quatsch: »Wir wollen die Leute in Arbeit vermitteln und nicht in neue Wohnungen«, poltert er auf Nachfrage des Webweckers. Aber selbst Pit Clausen gesteht ein, dass durch Hartz IV keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden. Er hofft aber auf »neue Nischen, neue Branchen« und fordert Investitionen in Bildung und Forschung.


Akademiker als Hundekotentferner?

Neue Branchen sieht kurze Zeit nach den SPD-Ausführungen auch Arno Klönne. »Was hilft es der Arbeitsmarktpolitik, wenn Arbeitlose eine Laufbahn als Hundekotentferner machen«, fragt der Paderborner Soziologe vor knapp einhundert Demonstranten vor dem Rathaus. Angesichts der am Abend von Sozialdezernent Thomas Kähler dem Rat genannten Zahl von 38.000 Betroffenen ist die geringe Teilnehmerzahl bei der Protestveranstaltung schon erstaunlich. Noch erstaunlicher ist der wenige Protest, wenn man Klönnes These glaubt, dass es bei Hartz IV nicht nur um Leistungskürzungen für Arbeitslose geht. »Es geht um Lohndumping, die Bevölkerung soll an Armut gewöhnt werden«, glaubt Klönne. Es sei schon richtig, dass es um Wettbewerb gehe: »Es geht um den Wettbewerb, wie man den Leuten das Fell über die Ohren zieht«, beschreibt der Soziologe seinen Eindruck von der Reform des Sozialstaats.

Hartz IV sieht er nur als einen Baustein zum Sozialabbau der rot-grünen Bundesregierung, die sich damit aber ihr eigenes Grab schaufle. »Erst wurden wir verrürupt, jetzt werden wir verhartzt, damit wir anschließend vermerkelt werden«, sagt Klönne unter dem Jubel der Demonstranten. Nicht der Standort Deutschland sei gefährdet, sondern der Sozialstandort. Verantwortlich für die Haushaltslöcher seien die Steuergeschenke an Großunternehmen. »Es heißt ja immer die Zeiten des Klassenkampfes seien vorbei. Das stimmt aber nicht: Es gibt einen Klassenkampf von oben«, stellt Klönne fest und hofft auf eine neue außerparlamentarische Opposition. In Berlin setze man darauf, dass sich die Menschen schon fügen würden. »Deshalb ist jetzt Druck auf die Kommunalpolitik nötig«, gibt er die Richtung vor. Die wollen die Demonstranten auch ausüben und nach der Kundgebung die Ratssitzung besuchen.