Webwecker Bielefeld: gedenktag

Gedenktag für Drogentote (28.07.2004)




Viel Möglichkeit zur Information, nur wenige wollten sie wahrnehmen.

Am vergangenen Mittwoch fand bundesweit der »Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher« statt. Bielefeld hat leider besonders viel Grund zum Gedenken: Gegen den bundesweiten Trend stieg im vergangenen Jahr die Zahl der Drogentoten.

Von Mario A.Sarcletti

Manche Passanten schienen am vergangenen Mittwoch regelrecht einen Bogen um den Stand in der Fußgängerzone zu machen. Er war der Bielefelder Beitrag zum »Nationalen Gedenktag für verstorbene DrogengebraucherInnen«. »Wir wollen die Menschen über die Drogenpolitik und die Lage der Betroffenen informieren«, erklärt Ullrich Engelmann von JES, einer bundesweiten Selbsthilfeorganisation von Junkies, Ehemaligen und Substituierten, so der volle Name des Vereins. Aber die meisten wollen nicht informiert werden, manche Passanten werden aggressiv. »So ein alter Opa ist vorhin sogar mit Hitler dahergekommen und hat gesagt, dass der uns vergast hätte«, berichtet Ute Grote von JES. Den Infostand betreibt die Bielefelder Selbsthilfeorganisation gemeinsam mit der Drogenberatung und der AIDS-Hilfe.

Die hat in diesem Jahr die Hepatitis-Prävention in den Mittelpunkt des – inoffiziellen – Gedenktages gestellt. Nicht ohne Grund: Sechzig bis Neunzig Prozent aller Drogen gebrauchenden Menschen seien mit dem Virus infiziert, heißt es in einer Erklärung der AIDS-Hilfe NRW. »Allerdings ist es alarmierend, dass lediglich drei bis vier Prozent der behandlungsbedürftigen drogengebrauchenden Infizierten tatsächlich behandelt werden«, beklagt Guido Schlimbach, Sprecher der AIDS-Hilfe NRW. Die fordert die Ärzteschaft auf, noch herrschende Vorurteile über Bord zu werfen. Außerdem müssten in den Justizvollzugsanstalten endlich auch die Präventionsmaßnahmen eingesetzt werden, die außerhalb der Haftanstalten längst an der Tagesordnung sind, wie etwa die Abgabe von sterilen Spritzen.

Einen anderen Schwerpunkt setzt JES. Sie fordert von der Politik einen Umgang mit dem Thema Drogen, der mehr der Realität entspricht. Die Politik solle in die Nachbarländer schauen, wie sie es ja auch bei der Reform der Sozialsysteme mache. Modelle wie in der Schweiz, wo an Schwerstabhängige Heroin von staatlichen Stellen abgegeben wird, oder in den Niederlanden, empfiehlt JES zur Nachahmung. »Psychoaktive Substanzen, die im Moment verboten sind, gehören nicht in die Hand der Mafia, sondern dahin, wo legale Drogen vertrieben werden«, fordert JES Bielefeld.