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»Eine faltale Geschichte«



Josefa Metz


Von Manfred Horn

Josefa Metz war eine literarische Allrounderin: Sie schrieb Gedichte, Kurzgeschichten, Erzählungen und Theaterstücke, machte Kinderbücher. Sie war eine der wenigen Frauen, die sich eingangs des 20. Jahrhunderts auf den Weg machten, zu schreiben und davon leben zu wollen. Die freie Schriftstellerexistenz bot schon genug Risiken, dies galt damals besonders für Frauen. Zumal sie keine reichen Eltern oder einen Mäzen im Hintergrund hatte. Ihr Vater starb bereits in ihrem 16. Lebensjahr und hinterließ drei weitere noch unversorgte Kinder.

In gewisser Weise war Metz eine schreibende Rebellin gegen den Zeitgeist, die genau wusste, was sie wollte: Mit Witz und Charme unterhalten. Dies belegt erstmals ein Buch mit Gedichten und Geschichten von ihr, kürzlich erschienen im Bielefelder Aisthesis Verlag. Sie klammert ihr eigenes Sein nie aus ihrer öffentlichen Unterhaltung aus, im Gegenteil ist ein großes Stück ihrer Biographie vertreten: Das gut-bürgerliche Milieu, in dem sie aufwuchs mit all seinen Gewissheiten, Schlaglöchern und kleinen Fenstern in die andere Welt. Wer Metz liest, sieht sie ständig mit einem Auge zwinkern. Auf leichte Weise reflektierte sie ihr eigenes Sein und liefert – aus heutiger Perspektive – eine vortreffliche Einsicht in Lebens- und Denkgewohnheiten vor 100 Jahren.

Ihre zu tiefst menschlichen Geschichten spannen zugleich einen großen Bogen: Vom Kindsein und Erwachsenensein und dem, was passiert, wenn sich diese Welten begegnen und Kinder ihre Fragen stellen, das Sagen, was die Erwachsenen nur denken. Sie kennt aber auch Insekten, die verliebt sind. Sie schreibt die »faltale Geschichte« vom Falter, der seine Liebe am Meer suchte und scheiterte. Liebe ist immer wieder Thema, die Sehnsucht danach, die Verletzungen, die Vollkommenheit aber auch der bittere Nachgeschmack. Sie bewegen sich in Jahrzeiten, Kirchen und der Großstadt. Und immer wieder tauchen Dichter auf, nicht zuletzt hier wird deutlich, dass Metz ein Stück ihrer eigenen Geschichte schrieb. So ist ›Didi‹, Protagonistin ihrer Geschichten »Didi und Konsorten« auch niemand anderes als ihre Nichte Mirijam. Sie beobachtete sich selbst und ihre Umgebung genau. Metz hatte die Gabe, sich davon distanzieren zu können und das Erlebte mit kindlicher Fantasie literarisch umzusetzen.

Metz hätte eine der großen SchriftstellerInnen des 20. Jahrhunderts werden können. Doch ihr Schaffen wurde jäh unterbrochen, ihre Geschichten verschwanden. Denn die 1871 in Minden geborene und in Bielefeld aufgewachsene Metz war Jüdin. Die Nationalsozialisten verhängten ein Berufsverbot, 1941 folgt die Deportation nach Theresienstadt Dort starb sie, vermutlich an einer der zahlreichen Seuchen im Lager, im Februar 1943. In der Bundesrepublik wurde Metz vergessen. Erst gut 60 Jahre nach ihrem Tod holte der Aisthesis-Verlag den literarischen Schatz von Josefa Metz wieder ans Tageslicht.


Das Buch »Dichterin der Kinderseele« ist im Aisthesis-Verlag erschienen. Das Buch hat 171 Seiten und kostet 15 Euro (ISBN 3-89528-434-3). Zugleich veröffentlichte der Verlag eine sehr hörenswerte CD mit dem Titel »Die Kinder und ich«, auf der Julia Neumann aus den Werken von Josefa Metz liest


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