Webwecker Bielefeld: gruenehartz02

»Nicht weghauen, sondern umbauen« (Teil 2)



Nur an diesem Punkt sind kritische Fragen aus dem Publikum zu vernehmen. Ein nach eigenem Bekunden »enttäuschter Grünwähler« empfindet Bündnis 90/Grüne als »extrem sozialdarwinistische Partei«, die sich für die Interessen der sozial Starken einsetze. »Für 345 Euro kann ich nicht im Bioladen einkaufen«, gibt er zu bedenken. Eine Grüne unterstützt ihn: »Ich nehme an, dass Grünwähler Hartz IV zustimmen, weil sie privilegiert sind.

Reinhard Bütikofer bestreitet das. Die Vorstellungen der Grünen zu Erbschafts- und Vermögenssteuer, die die Partei wieder einführen will, und zur Bürgerversicherung würden die Besserverdienenden treffen. Zudem gehe es den sozial Schwächsten mit Hartz IV besser.

Lisa Rathsmann-Kronshage, auf Platz 1 der Grünen bei den Kommunalwahlen, erklärt in dem Zusammenhang, dass Hartz IV aus ihrer Sicht auch gut für Bielefeld sei. Aufgrund der Erfahrungen mit der REGE und ihren Jobvermittlern sei die Kommune gut auf Hartz IV vorbereitet. Die Mittel für Arbeitsförderung seien zukünftig mit 37,7 Millionen doppelt so hoch wie bisher. Rathsmann-Kronshage kritisiert an der Diskussion um das Konzept des VW-Personalchefs Hartz, dass nur die »1 Euro Jobs rüberkommen«. Die nach grüner Meinung auch »ihre Berechtigung haben«. Bütikofer meint, dass durch sie die Beschäftigungsschwelle sinken würde. »Zur Zeit liegt die bei zwei Prozent Wachstum, zukünftig werden Arbeitsplätze schon bei 1,5 Prozent geschaffen«, glaubt er.

Im dritten Block des von OB-Kandidatin Inge Schulze moderierten Abends geht es dann um ein weiteres grünes Projekt im sozialen Bereich, die Bürgerversicherung. Reinhard Bütikofer bewirbt das Konzept auch hier dadurch, indem er aufzeigt, was nach Meinung seiner Partei zur Zeit falsch läuft. »Dass die, die am meisten verdienen, sich aus der Krankenversicherung verabschieden, ist nicht solidarisch«, kritisiert er. Diese Spaltung führe zu weiniger Wettbewerb unter den Krankenversicherungen, den eine Bürgerversicherung fördern würde. Außerdem würde sie die Lohnnebenkosten senken. »Die Belastung des Faktors Arbeit muss reduziert werden«, fordert der Grünenchef.

Das Konzept müsse allerdings erst klar durchdacht, strategische Fehler der Verganenheit nicht wiederholt werden. »Die doppelte Staatsbürgerschaft haben wir in unserer Jugend schlecht vorbereitet«, nennt Bütikofer ein Beispiel für unkluges Vorgehen. Die Umsetzung sei aber erst nach gewonnenen Wahlen möglich. »Die Bürgerversicherung kann erst umgesetzt werden, wenn wir die strategische Schlacht gewonnen haben«, läutet Reinhard Bütikofer den Wahlkampf für die Bundestagswahl 2006 ein.