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»Erpressungen der CDU« (Teil 2)



Das muss man differenziert anpacken: Einem, der dreißig Jahre gearbeitet und hohe Qualifikationen hat, dessen Firma nach Tschechien abgewandert ist, dem muss man eine andere Arbeitsgelegenheit bieten als einem Jungen, der noch nie geschafft hat und seinen ersten Job sucht. Was diese Reform nicht leisten kann und was wir auch nicht versprechen, ist, dass durch diese Reform die notwendigen Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt entstehen. Indirekt trägt die Reform aber dazu bei, dass Arbeitsplätze entstehen, weil nämlich die Beschäftigungsschwelle gesenkt wird. Aber klar ist, dass wir ohne ökonomische Dynamik bei aller besseren Vermittlungstätigkeit nach wie vor in der Klemme bleiben.


Von ihren Kollegen von der SPD wird Hartz IV aber schon als Zaubermittel für mehr Arbeitsplätze verkauft. Zumindest kommt es so rüber. Ist das eines von diesen Kommunikationsproblemen, die immer wieder angesprochen werden, wie diese Konzepte der Bevölkerung vermittelt werden?

Es ist nicht mein Job, andere zu kommentieren. Ich sehe es so, dass diese Reform so ihre Widersprüche hat. Es ist ja auch nicht alles 1:1 so in das Gesetz gekommen, wie Rot-Grün sich das ausgedacht hat. Wir wollten zum Beispiel eine Zumutbarkeitsgrenze einführen, so dass niemand unterhalb des ortsüblichen Lohnniveaus bezahlt werden sollte. Das hat uns die CDU rausgeschossen. Wir wollten bessere Zuverdienstmöglichkeiten, wir wollten, dass die private Altersvorsorge besser geschützt wird. Das sind Dinge, die wir nicht durchsetzen konnten. Ich vertrete das Gesetz trotzdem, auch mit diesen falschen Elementen. Denn es wäre noch schlimmer, wenn sich am Arbeitsmarkt gar nichts bewegen würde, es völligen Stillstand gäbe, als wenn wir in diesen und anderen Bereichen die Erpressungen der CDU hinnehmen mussten. Aber ich finde mich damit nicht ab und wir haben wegen der Frage der Zumutbarkeitsgrenze eine Diskussion um gesetzlich gewährleisteten Mindestlohn angefangen.


»Umweltpolitik war spinnert«

Sie sprechen die Kompromisse an, die man in der Politik schließen muss, vor allem, wenn man an der Macht ist. Nun sind ja seit 1998 diverse Kompromisse von den Grünen gemacht worden. Kosovo-Krieg, eben Hartz IV, in NRW wurden von Rot-Grün Gelder im sozialen Bereich gekürzt, etwa bei Frauenhäusern. Ist das noch die Partei, in die Sie einmal eingetreten sind?

Nein, sie ist besser geworden. Sie ist nicht nur erfolgreicher geworden, sondern hat auch den Horizont, den sie erreichen kann, erweitert. Die Partei, in die ich vor zwanzig Jahren eingetreten bin, war eine oppositionelle Partei. Viel von dem, was wir thematisiert haben, galt beim Mainstream als abseitig. Quotierung war abseitig, Umweltpolitik war spinnert. Vieles von dem, was damals als randständig wahrgenommen wurde, ist heute weit nach vorne gerückt auf der Agenda dieser Gesellschaft. Wenn Sie sich anschauen, was wir hingekriegt haben in der Energiepolitik, eine Weichenstellung weg von den alten fossilen Energien hin zu den regenerativen Energien, die sich heute schon in Jobs niederschlagen. Was wir hingekriegt haben im Bereich Ausländer- und Staatsbürgerschaftsrecht. Zum ersten Mal fängt dieses Land an zu begreifen, dass Zuwanderung eine positive Sache ist. Die Möglichkeiten für grüne Ideen zu wirken, werden durch die Kompromisse, die wir machen, nicht eingeschränkt, sondern werden erweitert.