Webwecker Bielefeld: heppner

»Geschichtsrevanchistischer Backspin« (10.11.2004)



Tag um Tag, Jahr um Jahr,
Wenn ich durch diese Straßen geh',
Seh ich wie die Ruinen dieser Stadt
Wieder zu Häusern auferstehen.

Doch bleiben viele Fenster leer,
Für viele gab es keine Wiederkehr.
Und über das, was grad noch war,
Spricht man heute lieber gar nicht mehr.

Doch ich frag, ich frag mich wer wir sind.

Wir sind wir! Wir stehen hier!
Aufgeteilt, besiegt und doch,
Schließlich leben wir ja noch.

Wir sind wir! Wir stehen hier!
Das kanns noch nicht gewesen sein.
Keine Zeit zum Traurigsein.
Wir sind wir! Wir stehn' hier!
Wir sind wir!


Peter Heppner, ›Wir sind wir‹



Verschiedene linke Gruppen aus Bielefeld richten sich gegen ein vom Ringlokschuppen geplantes Konzert am 20. November. Dann sollen dort Schiller und Heppner auftreten. Heppner aber »betätigte sich bis vor kurzem als deutsch-völkischer Identitätsstifter«, schreiben die Gruppen, unter anderem die Antifa AG der Uni, die :C-Kampagne und das Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus, in einem Brief an den Ringlokschuppen.

Heppner ist vor allem durch seinen Hit »Wir sind wir« bekannt geworden. Ein bis dahin »unerreichter geschichtsrevanchistischer Backspin in der hiesigen Pop-Musik«, heißt es in dem offenen Brief. Wenn ein sich unmissverständlich »deutsch fühlender Musiker im Kontext der Niederschlagung des Nationalsozialismus davon singt, dass irgendwer ›uns‹ ›besiegt‹ hat, wir ›uns‹ aber nicht ›unterkriegen› lassen, hat er unserer Meinung nach nichts in einer ›alternativen Großraumdisco‹ zu suchen«, schreiben die Gruppen weiter. Sie fordern die Ringlokschuppen auf, das Konzert abzusagen.

Die Deutschen als Opfer, so sieht Heppner die Geschichte. Das Land 1945 besiegt und aufgeteilt, keinesfalls befreit. Die Gräuel des Nationalsozialismus werden nicht erwähnt. Der Rest: Ein riesiger nationaler Erfolg, vom Fußballwunder in Bern bis zum Mauerfall. Heppner ist damit voll im Trend. Immer mehr Musikern gelingt es, mit blindem Nationalstolz Kasse und rechte Propaganda zu machen. Die organisierten Rechtsextremen in Deutschland freut dies, die ›Deutsche Stimme‹, das Presseorgan der NPD, feiert die rechten Stars wie Heppner, die Band Wolfsheim, der Heppner angehört oder die Band Mia. Die trat im April im Bielefelder Kamp auf. Im Publikum auch Rechtsextreme, es kam während des Konzerts zu einem rassistischen Übergriff. Eine schwarze Besucherin wurde von drei Rechtsradikalen attakiert (WebWecker berichtete). Die Band schweigt bis heute zu dem Angriff.

In dem offenen Brief wird der Ringlokschuppen auch gefragt, ob er Maßnahmen getroffen habe, um zu verhindern, »dass Nazis in den Ringlokschuppen kommen«. »Sind Sie auf rassistische, faschistische und antisemistische Übergriffe in ihrem Laden vorbereitet?«.


Ein Artikel der Zeitschrift Konkret zum Thema: www.konkret-verlage.de/kvv/txt.php