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Doppelt für Projekt mit Behinderten (15.12.2004)





Beraten vor allem MultiplikatorInnen: Martina Köllmann und Ulrike Mund vom Verein Eigensinn


Von Manfred Horn

Das Angebot kam kürzlich ins Haus: Alle Spenden bis zu 12.000 Euro werden verdoppelt, Stichtag ist der 8. März 2005. Die Idee hatte Erich Bethe, Stiftungsgründer der Bethe-Stiftung, die bundesweit soziale Einrichtungen vor allem für Kinder, unterstützt. Die Verdoppelungsaktion: Ganz im Sinn von Hilfe zur Selbsthilfe. Der Empfänger des Angebots: Der Bielefelder Verein ›Eigensinn‹ mit seinem Projekt gegen sexualisierte Gewalt an behinderten Kindern.

›Eigensinn‹ kümmert sich seit 13 Jahren in Bielefeld um die Prävention von sexualisierter Gewalt an Mädchen und Jungen. Dabei stehen Information und Aufklärung im Vordergrund. Wichtigste Zielgruppe sind nicht die betroffenen Kinder, sondern Eltern, Lehrer und Pädagogen. Sie sollen lernen, Situationen und Signale zu verstehen, die auf sexualisierte Gewalt schließen lassen. Und sie bekommen Anregungen, wie die Gewalt zu verhindern ist.


Sexualisierte Gewalt meist aus dem bekannten Umfeld

Eine Studie aus dem Jahr 1997 kommt zu dem Ergebnis, dass in Deutschland jedes 5. Mädchen und jeder 14. Junge bis zum Alter von 16 Jahren sexualisierte Gewalt erlebt. Der Bereich ist dabei groß: Er reicht vom Extremfall Vergewaltigung bis hin zu weniger klaren Situationen, beispielsweise wenn Mädchen und Jungen gezwungen sind, sich sexuellen Sprüchen und Anspielungen auszusetzen. Das alte Bild: Gehe nicht in den Wald, lasse Dich von keinem fremden Mann ansprechen und nimm auf keinen Fall Süßigkeiten von dem Fremden an. Es hat seine Berechtigung, verzerrt aber die Wirklichkeit: Sexualisierte Gewalt geht überwiegend von Familienmitgliedern, Bekannten und Freunden aus. Dabei sind die Täter nahezu ausschließlich Männer.

Wichtig ist ›Eigensinn‹, dass die Gefahr sexualisierter Gewalt nicht ein Verbot von Zärtlichkeit bedeutet. Schmusen, nackt sein, alles gut. Aber wenn Berührungen Erwachsener dazu dienen, sich sexuell zu stimulieren, wenn Berührungen geheim bleiben, dem Kind verboten wird, darüber zu sprechen: Dann ist Schluss mit lustig.

Um über das Thema aufzuklären, haben sich Theaterprojekte als sinnvoll und sinnlich erwiesen. Seit 1997 schon gibt eine Kooperation mit der Theaterpädagogischen Werkstatt in Osnabrück. »Mein Körper gehört mir!« heißt das Stück, das seitdem in Grundschulen gezeigt wird. Bielefeld sei da modellhaft, erklärt Ulrike Mund, Geschäftsführerin von ›Eigensinn‹. Das Theaterstück kommt, samt pädagogischer Aufbereitung durch ›Eigensinn‹ in alle 48 Grundschulen, ziemlich einmalig in der Bundesrepublik.


Lilly und Leo sagen: Mein Körper gehört mir

Die Spende der Bethe-Stiftung soll ermöglichen, eine Abwandlung des Theaterprojekts fortzuführen: Zielgruppe sind dabei behinderte Kinder. Bei »Lilly und Leo« sind die Inhalte reduziert, leichter verständlich. Seit zwei Jahren bietet ›Eigensinn‹ in Kooperation mit der Theaterpädagogischen Werkstatt diese Adaption nun an, mit großem Erfolg. So wird das Stück beispielsweise in der Mamre-Patmos-Schule in Bethel oder im Möller-Stift gezeigt. Zehn Sonderschulen gibt es alleine in Bielefeld. Ohne Spenden wäre die Stelle der Mitarbeiterin Sandra Eimterbäumer beendet, und damit das Projekt gestorben.

Nicht nur das Theaterstück, auch Begleitung kann bisher angeboten werden: So gibt es Informationsveranstaltungen für HeilerzieherInnen und Eltern von Kindern mit Behinderung. Für die – noch ungewisse Zukunft – stehen Konzeptionierung und Entwicklung weiterer Arbeitsmaterialien auf dem Plan. Einen gut gefüllten Präventionskoffer gibt es schon, und bereits heute gibt es Anfragen aus der ganzen Bundesrepublik, ob das Stück samt Information nicht mal vorbeikommen kann.