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Polizei schließt Arbeitsagentur (Teil 2)





›Lebenslaute‹ bei der Arbeit in der Agentur



Glück begleitet die Demonstranten, macht aber gleich klar: »In ein paar Minuten haben sie Hausverbot«. Die Agentur sei schließlich nicht der richtige Ort für eine politische Demonstration, findet er. »Das ist eine Störung, die ich nicht hinnehmen kann«, sagt der Hausherr. Eine Diskussion mit den Demonstranten will er eigentlich nicht: »Ich diskutiere nicht mit Sprechchören«, erklärt er. Einer davon lautet »Glück ins Büro«, eine Demonstrantin rät dem Direktor: »Herr Glück, sie haben in den letzten Tagen genug Stress gehabt, gehen sie nach Hause«. Eine andere empfiehlt, »den Protest jetzt zuzulassen, als dann, wenn sich das aufgestaut hat«.

Diese Tipps interessieren Peter Glück ebenso wenig wie die »Drohung« einer Rednerin: »Wenn die Arbeitsagentur zur Arbeitspolizei wird, stellen wir ihre Existenzberechtigung in Frage«. Nachdem der Großteil der Protestierenden von zwei Dutzend uniformierten und zivilen Polizeibeamten, die während der meisten Zeit in der Agentur filmten, aus dem Haus gedrängt ist, lässt Glück sich aber doch auf ein Gespräch ein.

Eine Frau weist ihn darauf hin, dass ein Gutachten im Auftrag des Bundestages die Verfassungsmäßigkeit von Hartz IV in Frage stellt. »Das ist ein Gesetz, das ich umzusetzen habe«, erklärt er seine Position. »Das ist ein gefährlicher Satz«, sagt eine Frau, »das hab ich in Deutschland schon mal gehört«. Darüber, ob das Gesetz moralisch in Ordnung ist, will Glück nicht diskutieren. Eine andere Frau fordert von Glück »Hurenseminare von der Arbeitsagentur und anschließend die Vermittlung in Clubs«, weil ja nach Hartz IV praktisch jeder Job zumutbar sei. »Ich werde sie nicht vermitteln«, sagt Glück zu der Forderung.

Nach etwa eineinhalb Stunden ist die Aktion Agenturschluss beendet, die meisten Beteiligten sind zufrieden. Die Mitarbeiter der Agentur können wieder ungestört dem Fördern und Fordern nachgehen, die Demonstranten konnten ihre Botschaft an die Zielgruppe bringen. Die lautet vor allem, dass »1-Euro-Jobs« keine Jobs sind, sondern erzwungene Arbeitsgelegenheiten, die den Weg zu Dumpinglöhnen freimache. »Viele haben uns zugehört, es gab nur wenig Sprüche«, freut sich eine Demonstrantin. Einer dieser Sprüche war das alte »Geht doch was arbeiten«. Von einem Erwerbslosen in der Agentur für Arbeit, die im Dezember fast 4,5 Millionen Arbeitslose verwaltete, formuliert, entbehrt er nicht einer gewissen Komik.

Die meisten Demonstranten waren auch zufrieden, weil die Agentur für kurze Zeit tatsächlich geschlossen und damit »in den Ablauf der Erwerbslosenbürokratie« eingegriffen wurde, wie es im Aufruf zu der Aktion als Ziel formuliert wurde. Das erledigten aber nicht die Demonstranten, sondern die Polizei. »Das Problem ist, dass wir die und die Kunden nicht unterscheiden können«, erklärt ein Beamter seinem Kollegen. »Das System hat sich selbst geschlossen«, grinst einer der Demonstranten.