Webwecker Bielefeld: stadttheater01

Eine proletarische Sinfonie (02.03.2005)





›Was ist nur unter der Holzverkleidung?‹.
Günther Tiemann, der Mann mit den Schlüsseln



Text und Bilder: Manfred Horn

Es staubt gewaltig. Von draußen sind fast alles aus wie immer. Nur die verkleidete Front zum Niedernwall im Herzen von Bielefeld und die neue holzverschlagene Brücke an der rechten Seite des Stadttheaters erinnern daran, dass im Inneren irgendetwas passiert.

Wer dann ins Theater hineingeht, ist beeindruckt: Drinnen tobt der Baubär, wuseln Bauarbeiter und Bagger zielsicher umher. Auch Minusgrade halten die Bauarbeiten nicht auf. Sicher würde der gewöhnliche Stadttheaterbesucher niemals vermuten, welch ein riesiges Loch dort gähnt, wo einst diverse Ensembles über die Bretter hüpften. Alles wurde abgetragen, bis zum Fundament. Nun, so ganz und gar leer, hat das Stadttheater eine beeindruckende Größe.

Noch sind die Abrissarbeiten in vollem Gange, doch schon in den kommenden Wochen soll sich der Prozess umkehren: Dann wird nicht mehr vernichtet, sondern neu aufgebaut.

Der Mann mit den Schlüsseln ist Günther Tiemann. Der Pensionär im Unruhestand ist im Vorstand der Theaterstiftung. Sein Motto: »Rasten kann ich, wenn es nicht mehr anders geht«. Er verfügt über ein feines, holzgetragenes Büro im Alten Rathaus. Dort hat sich die Theaterstiftung vorübergehend einmieten können.

Die Stiftung gründete sich, um das marode Stadttheater von Grund auf zu sanieren. Die Kosten: runde 23 Millionen Euro, die auf keinen Fall überschritten werden sollen. Streit gab es noch im Frühjahr 2004 darüber, wie das Stadttheater künftig aussehen solle. Denn der Entwurf des Architektenbüros Beneke/Daberto ist modern, die alte Architektur wird zumindest im Zuschauerraum verschwinden. Seit Herbst wird nun gebuddelt. Die Wiedereröffnung ist für September 2006 geplant. »Im Moment liegen wir voll im Zeitplan«, freut sich Tiemann.


Mehr zu sehen, weniger umzubauen

Die Zuschauer erwartet dann eine größere Bühne, vor allem eine bessere Sicht auf die Bühne. Das Bühnenportal wird künftig zwölf statt 8,25 Meter breit sein. Auch ein großer Vorteil für die Bühnentechniker: Sie können künftig die komplette vordere Bühne, besser gesagt: das, was auf ihr drauf ist, rotieren lassen, schräg stellen und vor allem nach hinten verschwinden lassen. Denn auch die Verbindung zwischen Hinter- und Vorderbühne wird breiter. Damit wird der Umbau leichter, gerade auch, wenn im Theater an mehreren Stücken geprobt wird. Zudem wird über der Bühnenfläche ein neuer Schnürboden mit Laststangenzügen gebaut. Er soll Bühnenumbauten schneller und sicherer machen.

Anders wird auch die Akustik sein: Man könnte meinen, die Edelstahlwelle, die unter der Decke montiert wird, hätte damit etwas zu tun. Weit gefehlt: »Da geht die Akustik durch«, sagt Tiemann. Unter dem Edelstahl wird es aber künftig die Möglichkeit geben, Tuch auszufahren. Dies wird dann, für die Zuschauer unsichtbar, die komplette Decke ausfüllen. Es kommt beim Schauspiel zum Einsatz: Der Vorteil: Die Schauspieler sind besser zu verstehen. Ist allerdings eine Oper angesagt, wird das Tuch nicht ausgefahren. Hier wird wieder eine andere Akustik benötigt.

Hinter dem Haus wird sogar angebaut: Dort kommen ein Ballettsaal für Proben und die Schlosserei hinein. Neu auch eine Brücke über die Brunnenstraße zur anderen Straßenseite, wo das Stadttheater weitere Werkstätten unterhält.