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Anstieg rechtsextremer Straftaten (Teil 2)



Dirk Butenuth nennt ein Beispiel: »Bei dem Schulhof-Projekt würden wir uns wünschen, dass sich die Schulen im Vorfeld damit befassen«. Das Schulhof-Projekt ist der bundesweite Versuch von Rechtsextremen Jugendlichen vor Schulen eine CD mit Rechtsrock und NPD-Propaganda in die Hand zu drücken. In NRW konnte der Versuch bislang unterbunden werden. Das Scheitern zeigt nach Ansicht von Innenminister Fritz Behrens, »dass die Kooperation mit Polizei, Justiz und Schulen den Verfassungsfeinden erfolgreich Paroli bietet, auch wenn diese neue Strategien anwendet«.

Für Prävention zu spät ist es bei den »Exemplarischen Einzelfällen«, die der Staatsschutzbericht näher beleuchtet. Im November wurde in Bad Oeynhausen der »Europäische Darstellungsverein für Lebendige Geschichte« ausgehoben. Der Verein, der bundesweit Mitglieder hatte, stellte in Tschechien und der Slowakei in Originaluniformen und mit Waffen, die dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterliegen, Schlachten nach. »Der Haupttatverdächtige und dessen näheres Umfeld identifizierten sich primär mit der früheren »Leibstandarte SS Adolf Hitler« und stehen ideologisch den Ideen des Nationalsozialismus nahe«, beschreibt die Jahresbilanz die Gedankenwelt der Beschuldigten.

Zum Teil ist die ostwestfälische rechtsextreme Szene auch national präsent. Dirk Butenuth berichtet von einer bundesweiten Reisetätigkeit. So nahmen NPD-Anhänger und Angehörige der Kameradschaft Weserbergland am 1. Mai an Demonstrationen in Berlin und Leipzig teil. Auch beim Rudolf-Heß-Gedenkmarsch in Wunsiedel waren ostwestfälische Rechtsextreme präsent. Der Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß war der Szene auch regionale Aktionen wert: In Minden und Bad Salzuflen tauchten entsprechende Plakate auf, an einem Brückengeländer in Rheda-Wiedenbrück prangte ein Transparent »In Gedenken an Rudolf Heß«. Am Gedenkmarsch selbst nahmen etwa vierzig Ostwestfalen teil.

Mit dabei auch Ursula Haverbeck vom Collegium Humanum in Vlotho. »Mit dem Collegium gibt es sicher ein größeres Problem, seit Horst Mahler dort verstärkt zu Gast ist«, erklärt der Leiter des Staatsschutzes. Gegen die Seminare dort habe seine Behörde keine rechtliche Handhabe, da es sich um private Räumlichkeiten handle. »Es tut uns auch leid, ich hätte es auch lieber, wenn es den Treffpunkt nicht gebe«, sagt Dirk Butenuth, der weiß, dass sich dort Revisionisten tummeln.

So gründeten Mahler und andere im November 2003 im Collegium den »Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten«. In der von dem ehemaligen RAF- und späteren NPD-Anwalt verfassten Gründungserklärung heißt es, »dass in allen Erdteilen Menschen redlicher Gesinnung den Holocaust im Sinne einer systematischen Vernichtung der europäischen Judenheit durch die Regierung des Deutschen Reiches bezweifeln«. Das daraufhin eingeleitete Verfahren gegen Mahler wurde am 21. April 2004 eingestellt, »da zugunsten des Beschuldigten von der Staatsanwaltschaft nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der Verfasser die Bestrafung der Holocaust-Leugnung nicht für berechtigt hält«, so die Staatsschutzbilanz. Zudem erfülle die Äußerung von Zweifeln das Merkmal »Leugnen« nicht, zitiert die Bilanz eine juristische Quelle.

Neben politisch motivierter Kriminalität von rechts und links ist die von Ausländern der dritte Aufgabenbereich der Staatsschutzabteilung, elf Delikte zählte sie 2004. Der Staatsschutz hat dennoch in dem Bereich viel zu tun: »Islamistischer Terrorismus ist eine Schwerpunktaufgabe, wir haben jedoch aktuelle keine Strafverfahren«, erklärt Dirk Butenuth, der aber keine aktuelle Gefährdung für die Region sieht. Etwa zwanzig der rund zweihundert Moscheen in der Region werden als extremistisch eingeschätzt, die Hälfte davon wird von der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs betrieben. »Auch die begehen keine Straftaten, aber sie wollen zum Beispiel einen Gottesstaat errichten«, beschreibt Dirk Butenuth, was an der Vereinigung extremistisch ist.