Webwecker Bielefeld: jahrestagzwangsarbeit02

»Wie der zweite Geburtstag« (Teil 2)





Lisa Wildmann las gemeinsam mit Thomas Wolff und Therese Berger aus den Briefen





Nochmals kehrt Kusnetzow nach Bielefeld zurück. Hier wurde er dann auch befreit. Doch Kusnetzow kam nicht zurück in seine Heimat auf der Krim, stattdessen brachte man ihn in den Süden des Urals. Dort arbeitete er erst in der Hüttenindustrie und dann als Ladearbeiter. Als ich im Ural ankam, schrieb ich nach Hause in die Stadt Kertsch’ auf der Krim. Kusnetzow lebte 19 Jahre im Ural, erst 1964 konnte er nach Kertsch im Ural zurückkehren.

Warwara Nikolaewna Sarutskaja war von 1942 bis 1945 Zwangsarbeiterin bei Miele: »Der Tag des Sieges ist wie der zweite Geburtstag«. Am 4. April 1945 hatte sie zunächst Angst: »An diesem Tag ging ich nicht auf den Hof, wieso weiß ich nicht, entweder vor Freude oder vor Aufregung«. Ein Motorrad fuhr um die Ecke, aus dem Megaphon krächzte es: »Ergebt euch, ihr seid umzingelt! Legt die Waffen nieder!« Aus dem dritten Stock fielen tatsächlich die Waffen, die Befreiung war da.






Nach der Befreiung wurde sie krank: »Mein junger Organismus hielt das Ganze nicht aus«. US-amerikanische Ärzte kümmerten sich um sie. Dann ging es mit einem LKW Richtung Osten, sie wurde zusammen mit ihrem Mann – der in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Bielefeld Zwangsarbeiter war – den sowjetischen Armee übergeben. Die sahen in den Zwangsarbeitern Kollaborateure, ganz als ob sich diese freiwillig zur Arbeit in Deutschland gemeldet hätten. So kam ihr Mann zunächst nicht in seine Heimat zurück, er musste »zu Fuß nach Mittelasien«. Sarutskaja jedoch hatte Glück: Ihr wurde die Rückkehr erlaubt.

Schicksale, die stellvertretend stehen für das Leid von Tausenden. Lange Jahre interessierte das kaum jemand. Der Verein ›Gegen Vergessen, für Demokratie‹ freut sich, dass Zwangsarbeiter seit wenigen Jahren endlich mehr Aufmerksamkeit genießen. Im kollektiven Gedächtnis der Deutschen blieben die Zwangsarbeiter jahrzehntelang lästige und kriminelle »displaced Persons«, betont Herzog. Die verstärkte Wahrnehmung – die für viele zu spät kommt, weil sie bereits verstorben sind – sei aber keinen Grund zur Beruhigung: Denn die Auseinandersetzung mit Rassismus sei in Deutschland aktuell. »In einer Zeit, in der die Gestaltung der Beziehungen zwischen Deutschen und Ausländern eine offene und gesellschaftlich umkämpfte Frage ist, ist eine intensive Beschäftigung mit dieser Phase unserer Geschichte besonders dringend«, merkt Herzog an.






Die Bielefelder Sektion des Vereins ›Gegen Vergessen, für Demokratie‹ sammelt weiter Spenden für die ehemaligen Zwangsarbeiter, die in Bielefeld waren. Die Spenden gehen ohne Abzug an die ehemaligen Bielefelder Zwangsarbeiter. Mittlerweile haben etwa 50 Personen jeweils 200 Euro erhalten. Gespendet werden kann auch direkt auf das Konto des Vereins:
Kirchenkreis Bielefeld, Konto 364 , Sparkasse Bielefeld BLZ: 480 501 61, Kennwort: »Zwangsarbeit«

Der Verein ist eine Gruppe vor Ort im WebWecker und stellt dort Informationen bereit.
Der WebWecker hat einen Schwerpunkt zum Thema Zwangsarbeiter