Webwecker Bielefeld: sektselters02

»Sekt oder Selters« (Teil 2)



Viele Süchtige lassen sich in ihrer Verzweifelung selbst in Casinos und Spielhallen sperren – oder aber sie werden gesperrt, weil sie nicht mehr zahlen können. Doch niemand hindert sie, zu den Automaten zu gelangen und erneut irgendwo her besorgtes Geld – mit zunehmender Verelendung auch aus kriminellen Handlungen – erneut zu verspielen. Erst wenn sie einmal etwas gewinnen sollten, greift die Sperre. Dann heißt es an der Kasse: »Sie sind bei uns gesperrt. Eigentlich haben sie Hausverbot, aber wir drücken noch mal ein Auge zu. Den Gewinn können wir aber natürlich nicht auszahlen«.

Nach langen Jahren der Sucht stranden einige Glückspielsüchtigen – meist mit etwas Glück und Druck aus dem Umfeld – bei einem der Beratungsangebote. Die sind aber in der Bundesrepublik rar gestreut. Die Bielefelder Fachstelle Glückspielsucht gibt es nun seit sechs Jahren, und sie kann sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen. Eingebunden ist sie in den evangelischen Gemeindedienst, ein großer Teil des Geldes kommt von der Stadt Bielefeld. Die erhebt eine kommunale Steuer auf Glücksspiel-Automaten und Unterhaltungsautomaten. Diese Vergnügungssteuer füllt damit ihre leeren Kassen, nur ein kleiner Teil davon fließt zurück in Beratungs- und Therapieangebote.


Hilfeangebote werden ausgebaut

Dreh- und Angelpunkt der Bielefelder Fachstelle ist Frank Gauls. Er hat schon vorher Berufserfahrung in der Beratungsstelle in Herford sammeln können, seit 1999 baut er die Bielefelder Beratung kontinuierlich aus. Bereits seit 1987 hat er Kontakt zu Glücksspielern. Nur durch den langen und intensiven Kontakt weiß er heute, was er ihnen anbieten muss. 2001 entwarf er ein Konzept für eine ambulante Rehabilitation, 2002 entwickelte er ein Präventionsmodul. Die ambulante Rehabilitation ging dann auch 2004 tatsächlich an den Start und wird von den Kassen inzwischen anerkannt.

Seit kurzem gibt es in der Fachstelle auch eine ›Info- und Motivationsgruppe‹, eine neue Kollegin ist in Teilzeit hinzugekommen, die das Team, das ansonsten aus Honorarkräften besteht, ergänzt. Gauls hat zwei Visionen: Den »Schutz des Bürgers vor übermäßiger Ausbeutung des natürlichen Spieltriebs«, eine Formulierung, die ironischerweise auch immer wieder in staatlichen Verordnungen auftaucht, aber mehr wie eine Floskel wirkt, und – deutlich realpolitischer – mehr Beratungs- und Behandlungsangebote für Glücksspielsüchtige.