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Schröder wirft sich auf den Markt (Teil 2)



Aber das ist im Medienzeitalter, dass den Kampf Mann gegen Mann – oder hier noch besser: Mann aus dem Westen gegen Frau aus dem Osten – so sehr liebt, herzlich egal. Der mögliche Effekt: Grüne und FDP sind gar nicht mehr im nächsten Bundestag vertreten. Dann wäre Schröders Strategie aufgegangen: die Agenda 2010 würde inhaltlich fortgesetzt, er hätte doch recht. Acker würde dankbar in Kauf nehmen, dass Merkel sie der Form halber in einen neue Worthülse namens »Agenda Arbeit« umtaufen würde, ohne inhaltlich viel zu ändern. Und der rheinland-pfälzische SPD-Ministerpräsident Kurt Beck darf dann endlich massiv in die Biotechnologie investieren, was ihm die bösen Grünen bisher vermiesen.

Die Entscheidung Schröders für Neuwahlen wird von zahlreichen Kommentatoren begrüßt als Beleg für eine lebendige Demokratie. Das Gegenteil ist der Fall: Die Demokratie, die in den vergangnen Jahren schon genug Dellen erhalten hat, bekommt einen weiteren ordentlichen Tritt. Nicht zufällig verbietet das Grundgesetz die Selbstauflösung des Bundestags, die Gründerväter- und mütter der Republik hatten das Parlamentschaos der Weimarer Zeit noch deutlich vor Augen.

Die Diener des Volkes, wie sich Regierende bei passender Gelegenheit gerne bezeichnen, sollen gefälligst ihre Aufgabe erfüllen, für die sie gewählt wurden: Regieren, und sei es auch bei Regen. Es reicht nicht, wie Ailton auf den Rasensprenkler zu treten und ansonsten in Depressionen zu verfallen. Das der Bundesrat von der CDU dominiert wird und die Bundesregierung kaum noch ein legislatives Bein an die Erde kriegt, ja und? Die Situation war in den letzten Jahren der Regierungsära Kohl nicht anders, nur unter umgekehrten Vorzeichen: Damals waren die meisten Bundesländer rot oder rot-grün und blockierten die Bundesregierung, wo es nur ging.

Dieser Patt zwischen Regierung und Bundesratsmehrheit würde sich auch nicht durch eine nochmalige Wahl von Rot-Grün ändern. Dies ist ein Indiz dafür, dass Schröder keinesfalls eine Neuauflage von Rot-Grün anstrebt, dann hätte er auch einfach bis zur nächsten regulären Bundestagswahl im September 2006 weiter machen können.

Vielmehr ist das politische Unentschieden ein Zeichen dafür, dass den Entscheidungsträgern ihre Überzeugungen abhanden gekommen ist. Sie sind endgültig angekommen auf dem Marktplatz Politik, auf dem sie als verschiedene Früchtchen gehandelt werden. Spätestens seit 1998 vollzieht sich ein Paradigmenwechsel auf bundespolitischer Ebene: Wahlen werden zu Medienwahlen, Parteien inszenieren sich auf Medienparteien.


Die Volksparteien sind tot

Dafür sind die Volksparteien tot. Das Volk ist nur noch eine Metapher, in dessen Namen gesprochen wird. Die Volksvertreter drücken längst nicht eine Willenssumme aus, sie drücken ein. Das Volk, wer immer das auch ist, wendet sich ab. Eine Erfahrung, die die SPD gerade durchmacht und die der CDU noch bevorsteht.

Politische Entscheidungsträger der ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik waren geprägt von Ecken und Kanten. Sie hatten Überzeugungen. Im besten Fall waren diese Marken Ausgangspunkte für den Kompromiss mit dem politischen Gegner. Doch inzwischen entscheiden sie eher danach, was die Quote sagt, wie der Karrierewinkel verbessert werden kann. Das Politbarometer zeigt an, wer an seinen Aussagen zu feilen hat.

Heute noch geben die Mächtigen einer Partei eiserne Fraktionsdisziplin vor, die Hinterbänklern wahlweise verbietet, überhaupt den Mund aufzumachen oder gar unter Strafe kollektiven Mobbings gegen eine Vorlage der eigenen Partei zu stimmen. Doch die Mächtigen sind längst von den Medien entmachtet. Sie wollen geliebt und ins richtige ›Bild‹ gestellt werden. Nicht mehr die Ideologie, die in verrauchten Fraktionszimmern durchgepeitscht wurde, sondern die reine Selbsterhaltung, die Interessenslenkung stehen im Vordergrund: Als Abgeordneter und als Institution namens Partei.