Webwecker Bielefeld: aidshilfe2002

Ein bißchen von beidem (Teil 2)





Ein bißchen sakral wirkte es dann doch in der Capella


In dieser aufgeheizten Atmosphäre entstand in Bielefeld der Verein Aids-Hilfe. Der Staat war zunächst überfordert, einzig die Hiv-Ambulanz im Betheler Krankenhaus Mara wagte sich in Bielefeld mutig zumindest an eine medizinische Versorgung. Als es 1985 mit der Bielefelder Aids-Hilfe losging, gab es keinen Raum und kein Telefon. Beides folgte erst 1986. Geld gab es auch keins, selbst die 200 Mark Miete stellten ein Problem dar. Eine nicht-staatliche Hilfsorganisation, in der auch viele Hiv-Positive mitarbeiteten, musste sich erst Gehör und Anerkennung verschaffen. Für die Betroffenen war der Verein hingegen von Beginn an ein wichtiger Schutzraum gegen die Anfeindungen, die von draußen kamen.

Der Schutzraum ist heute immer noch da, auch wenn das Leben mit Hiv deutlich einfacher geworden ist. So wird die Aids-Hilfe inzwischen eher als Service-Einrichtung begriffen, die für bestimmte Situationen hilfreich ist. Neben den Hauptamtlichen arbeiten 40 Ehrenamtliche bei der Aids-Hilfe, eine mächtige Zahl. Rund 2.000 Neuinfektionen werden jährlich in der Bundesrepublik registriert, eine Zahl, die seit Jahren stabil ist. Struck weiß aber um einen geringen Anstieg bei schwulen Männern, »die Entwicklung ist aber nicht dramatisch«. Aber für ihn ein Zeichen für eine schleichende Erosion: Aids erfährt inzwischen weniger Interesse von der Politik als noch in den 90ern, die Gelder werden zurückgefahren.

War Aids zunächst eine Krankheit, die schwule Männer traf, hat sich das Bild heute verändert: rund ein Fünftel der Erkrankten sind Frauen. Von den 45.000 Infizierten in Deutschland sind rund ein Fünftel Migranten, jeder elfte ist Konsument harter Drogen. Die Aids-Hilfe hat in den vergangenen Jahren auf die veränderte Situation reagiert, indem sie beispielsweise transkulturelle Workshops anbot, die die spezifischen Kulturen der Migranten in den Blick nahm. Die zunehmende Zahl von erkrankten Migranten verweist auch auf die dramatische internationale Situation: weltweit sind rund 40 Millionen Menschen Hiv-positiv, vor allem in armen Ländern, und hier besonders im südlichen Afrika. Allein in Südafrika sterben jährlich 300.000 Menschen an Aids, eine Stadt wie Bielefeld wäre ausgelöscht. So ist der Aids-Hilfe die internationale Solidarität auch wichtig.


Mit Herzenslust gegen Aids

Aber auch eine Kernzielgruppe, die schwulen Männer, sind weiter ein Thema. Besonders ist hier die nrw-weite Aktion ›Herzenslust‹. In Bielefeld gibt es ein eigenes Team, dass sich mit originellen Ideen und kreativ verkleidet immer wieder an die Schwulen-Szene heranmacht und für Prävention wirbt. Medizinisch hat sich in den vergangenen 20 Jahren ebenfalls viel getan: Anfangs gab es keine Medikamente, 1987 dann wurde ACT, aus Heringssperma gewonnen, zugelassen. Die Medikamente sind bis heute weiter verbessert worden, zeigen aber immer noch starke Nebenwirkungen. »Heute steht aber das Leben im Mittelpunkt. Und auch wieder Beschäftigung«, sagt Angelika Vogel, Vorsitzende der Aids-Hilfe. Mit Hiv ganz normal arbeiten ist möglich, Aids ist zwar nach wie vor tödlich, doch die Lebenserwartung mit der Krankheit wurde erheblich gesteigert.