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Lange Leiter zur Aufenthaltserlaubnis (Teil 2)



Nach den März-Pogromen mussten die Abschiebungen ausgesetzt werden, die Betroffenen erhielten Duldungen für jeweils zwei Monate. Im Juni 2005 bekamen sie allerdings exakt den gleichen Brief wie schon zwei Jahre zuvor. Nach Verhandlungen von UNMIK und der Bundesrepublik Deutschland im April hatte sich die UN-Verwaltung bereit erklärt, kleinere Kontingente von Angehörigen der Minderheiten aufzunehmen, flugs wurden tausend Personen zur »Rückführung« angemeldet. Im Juni wurden die zweiwöchigen Abschiebflüge von Düsseldorf nach Pristina wieder aufgenommen.


Überforderte UNMIK

»Am 23. Juni wurde eine Familie aus Gelsenkirchen abgeschoben, der Vater herzkrank, die Mutter zuckerkrank«, erzählt Haki Rustemi. Im Kosovo seien sie von der UNMIK übernommen worden. »Die hat sie gefragt, wo sie hin wollen«, beschreibt Rustemi die Hilflosigkeit der UN-Behörde. »Da erzählten sie ihnen, dass ihr Haus nicht mehr steht«. Eigentlich hätte die UNMIK das wissen müssen, da sie verpflichtet ist, jeden Einzelfall zu überprüfen. »Sie ist weder personell noch fachlich ausgerüstet, individuelle Gefährdungen festzustellen«, urteilt die Schweizerische Flüchtlingshilfe. Auch der Kosovo-Ombudsmann der Vereinten Nationen, der immer wieder die Menschenrechtslage in der Unruheprovinz kritisiert, habe dem Europarat berichtet, dass es »weder für Assessments vor der Rückkehr noch für Überprüfungen nach der Rückführung« Budgets bei der Organisation gebe.

Die Gelsenkirchener Familie sei zu Verwandten gebracht worden, berichtet Rustemi weiter, die allerdings geflohen seien. Die Gelsenkirchener konnte in das verlassene Haus einziehen. Anderen ging es noch schlechter: »Von den im Mai aus Deutschland zurückgeführten Ashkali-Familien sind drei oder vier in Zelten oder Lagern untergebracht worden, weil ihre Häuser zerstört sind«, berichtet die Schweizer Flüchtlingsorganisation. Kein Wunder, dass viele Abgeschobene versuchen wieder nach Deutschland zu kommen. »Interviews mit aus Deutschland zurückgeführten Ashkali-Familien zeigten, dass ein Teil von ihnen nach wenigen Tagen bereits einen Schlepper bezahlte, der sie wieder nach Deutschland bringen sollte«, recherchierte die Schweizerische Flüchtlingshilfe.

Nach Angaben Haki Rustemis versuchen auch Frau und Kinder der Gelsenkirchener Flüchtlingsfamilie wieder illegal nach Deutschland einzureisen. Der Auslöser der erneuten Flucht sei gewesen, dass der Mann auf der Straße verprügelt worden sei, nachdem er einem Journalisten seine Lage geschildert hatte.

Sei Schicksal ist kein Einzelfall, auch der UN-Flüchtlingskommissar weiß von tätlichen Angriffen, Belästigungen und Einschüchterungen. Im März, also einen Monat vor den deutschen Abschiebeverhandlungen mit der UNMIK, beurteilte er die Sicherheitssituation als »insgesamt weiterhin zerbrechlich und unberechenbar.« Die grüne Abgeordnete des niedersächsischen Landtags, Georgia Langhans, berichtet von einer Reise einer Landtagsdelegation Anfang Juni: »Der Satz „Zur Zeit ist es ruhig, aber wir sitzen auf einem Pulverfass“ fiel in fast allen unseren Gesprächen«. Die allgemeine wirtschaftliche Lage sei zudem »katastrophal«.


Bundeswehr vor Ort gegen Abschiebungen

Die Landtagsdelegation sprach zum Abschluss der Reise auch mit der Bundeswehr vor Ort. Die habe »eindringlich den nur schleppend vorangehenden Demokratisierungsprozess, die weitgehend fehlende Rechtsstaatlichkeit und den Mangel an Bereitschaft sich für den Schutz der Menschenrechte und der nationalen Minderheiten einzusetzen«, bestätigt. »Es sei sowohl aus Sicherheitsgründen als auch aus humanitären Erwägungen nicht denkbar in größerer Zahl Flüchtlinge, insbesondere ethnische Minderheiten, zwangsweise in den Kosovo zurückzuschicken«, beschreibt Langhans die Haltung ihrer Gesprächspartner bei der Bundeswehr.