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»Dem Erdboden gleichmachen« (Teil 2)



Am vom Eingang gegenüberliegenden Ende befindet sich eine Mauer aus Granit. Auf ihr sind mehrere Inschriften und Bilder.





Inschrift: »Hier liegen Leningrader. Die Bewohner der Stadt, Männer, Frauen, Kinder. In ihrer Nähe liegen Soldaten – Rotarmisten. All ihr Leben verteidigten sie dich, Leningrad, Wiege der Revolution. Ihre edlen Namen können wir hier nicht aufzählen. So viele sind unter dem ewigen Schutz des Granits. Aber wisse, wenn du diese Steine betrachtest. Niemand ist vergessen. Nichts ist vergessen.«

Der Friedhof wurde 1960 während der Breschnew-Ära eröffnet. Zu dieser Zeit war die Mystifizierung der Leningrader Blockade in der staatlichen Geschichtspolitik auf ihrem Höhepunkt.





Die größte Statue auf dem Gelände ist die »Mutter Heimat«. Sie passt gut zu dem Bild das damals vom sowjetischen Staat beschworen wurde: »vaterländische Pathosarchitektur«.












Seitlich der Allee erstreckt sich der Rest des Friedhofs. Wie in einem Park gibt es Wege, Wiesen und ruhige Ecken mit Bänken. Auf der einen Seite befindet sich der Militärfriedhof und Felder die vielen Grabsteinen bedeckt sind. Hier wachsen Bäume auf den Gräbern. An ihnen sind manchmal alte Fotos angebracht.






In einem abgelegenen Teil des Friedhofs stehen mehrere Säulen. Sie wurden mit Hackenkreuzen besprüht die übermalt.






An den Seiten der Allee stehen Lautsprecher aus denen die 7. Sinfonie von Dimitrij Schostakowitsch gespielt wird. Er fing während der Blockade an sie zu komponieren und wurde dann aus gesundheitlichen Gründen aus der Stadt evakuiert. Im Sommer 1942 konnte die Sinfonie, an deren Ende der Faschismus bezwungen wird, in Leningrad uraufgeführt werden.

Im Museum befinden sich Originaldokumente wie der Befehl der Wehrmachtsführung die Stadt »dem Erdboden gleich zu machen« oder Gegenstände aus der Stadt. Das Notizbuch der 12-jährigen Tanja Savičeva dokumentiert wie ihre Familie stirbt. Am Ende steht: »Jetzt sind alle tot«.

Für den Besucher ist es schwer zu realisieren, was der Piskarowskoje-Friedhof ist. Dort liegt unendlich viel Leid begraben – und doch ist er nur ein Fragment des Elends, den das nationalsozialistische Deutschland über die ganze Welt brachte.

Die Absicht der deutschen Führung war es, die Bewohner Leningrads genauso wie die Bewohner Moskaus langsam auszuhungern. Die nationalsozialistischen Ideologie sah mehr Raum gerade im Osten Europas für das deutsche Volk vor. 2003 beklagt die AG Kultur des deutsch-russischen Forums ›Petersburger Dialog‹in einer öffentlichen Stellungnahme, dass über die Leningrader Blockade »in deutschen Geschichtslehrbüchern kein Wort steht«. Der Massenmord an russischen Stadtbewohnern ist hierzulande nahezu unbekannt.

Im vergangenen Jahr ging eine Welle der Trauerveranstaltungen durch das Land. Insbesondere Dresden stand im Mittelpunkt des Gedenkens an die zivilen deutschen Opfer. Aber auch in Bielefeld, Paderborn und Löhne fanden Gedenkveranstaltungen statt. Manchmal, wie beispielsweise in Bielefeld, rückten Redner die Bombardierungen deutscher Städte am Ende des Krieges verdächtig nahe an die Verbrechen des Nationalsozialismus.

Es ist äußerst bedenklich, wie wenig die Verbrechen des Nationalsozialismus bei diesen Debatten interessieren. Viele Deutsche begrüßten damals die Germanisierungspolitik. Sicherlich wären einige freudig Richtung »Ingermanland« gefahren um auf den Trümmern Leningrads zu siedeln.