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Gegen Razzien und Abschiebung (09.11.2005)



In Neuss befindet sich seit 1993 das bundesweit einzige Frauen-Abschiebegefängnis. Es liegt mitten in der Neusser Innenstadt in einer ruhigen Wohnstraße und wird kaschiert durch eine unauffällige Fassade. In dem Gefängnis sind momentan zwischen 60 und 80 Frauen eingesperrt. Nach Überlegungen der Landesregierung kann es allerdings in Zukunft dazu kommen, dass das Gefängnis dort dicht gemacht wird und der Gefängnisstandort Büren im Kreis Paderborn zu einem Abschiebegefängnis für Männer und Frauen umgewandelt wird.

Der einzige Grund für die Inhaftierung der Frauen ist ihre Migration. Die Frauen kamen aus der ganzen Welt. Sie fliehen vor Genitalverstümmelung, Zwangsprostitution, Zwangsverheiratung – oder schlicht vor dem Elend in ihrem Herkunftsland. Sie entschließen sich zur Migration, weil sie in ihrem Herkunftsland keine Chance auf Bildung oder Ausbildung haben, weil sie ethnisch, religiös oder politisch verfolgt werden.

Seit vielen Jahren rufen linke Organisationen jährlich zu einer Demonstration vor dem Abschiebegefängis auf. Denn in Deutschland sind die geflüchteten Frauen nicht sicher. Oft bleibt ihnen nur die Wahl zu heiraten oder – als Illegalisierte – ständig in der Angst zu leben, entdeckt und abgeschoben zu werden. Und auch hier werden sie Opfer von sexualisierter Gewalt und Ausbeutung. Über 70 Prozent der Frauen, die im Abschiebegefängnis Neuss eingesperrt sind, wurden bei Razzien in Bordellen aufgegriffen, da die meisten Kontrollen dort stattfinden. Die überwiegende Mehrheit von Frauen ohne Papiere arbeitet allerdings in gutbürgerlichen deutschen Haushalten, als Hausarbeiterinnen, als Kinderbetreuung, als Putzhilfe, in der Pflege.

Abschiebehaft bedeutet für die Inhaftierten: bis zu 18 Monate hinter hohen Mauern und Sicherheitsdraht, bewacht von bewaffneten SicherheitsbeamtInnen. Kleine Zellen, rigide Schließzeiten, wenig Hofgang, eingeschränkte Besuchszeiten, kaum Telefonmöglichkeiten. Häufig werden die Frauen nicht richtig über ihre Rechte aufgeklärt, die DolmetscherInnen, die zur Hilfe gezogen werden, übersetzen oft ungenau.Ffür Frauen aus Afrika wird meist nur ins Englische übersetzt, selbst wenn diese Frauen nur rudimentär Englisch verstehen. So unterschreiben sie Dokumente, ohne zu wissen, welche Folgen dies für sie haben kann. So richtet sich die Kritik derjenigen, die zur Demonstration aufrufen, nicht nur gegen das Abschiebegefängnis in Neuss, sondern generell gegen die Abschiebepraxis.

Menschen per Definition zu illegalisieren, bedeute unter anderem, sie für den Arbeitsmarkt ausbeutbar zu machen und sich damit frei verfügbares, unsichtbares und entrechtetes Potential an ungeheuer billigen Arbeitskräften zu schaffen, heißt es in einem gemeinsamen Aufruf zur Demonstration am Samstag, 26. November. Statt Razien fordern die Veranstalter eine Legalisierung der Flüchtlinge.


Die Demonstration beginnt am Samstag, 26. November, um 14 Uhr. Treffpunkt: Hauptbahnhof Neuss. In Bielefeld wird der Aufruf unterstützt von der Antifa-AG der Universität und vom Kreisverband der Jungen Linken. Ebenso ruft der Landesvorstand der WASG zur Teilnahme auf