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Moderate 10.000 Euro (14.12.2005)



Anfang Dezember gab es im Landtag die 1. Lesung des »Gesetzes zur Sicherung der Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen«. Mit ihm erlaubt die Landesregierung den Hochschulen, Studienbeiträge einzuführen. Der Münsteraner Anwalt Wilhelm Achelpöhler meint in einem Gutachten nicht nur, dass der Name Studiengebühren passender wäre. Er bezweifelt auch, dass der Gesetzesentwurf mit dem Grundgesetz und Europarecht kompatibel ist.




Von Mario A. Sarcletti

Ganz richtig erkennt die nordrhein-westfälische Landesregierung, dass die Hochschulen unterfinanziert sind. Dieser Analyse, die als »Problem« dem Entwurf für das »Gesetz zur Sicherung der Finanzierungsgerechtigkeit« vorangestellt ist, werden wohl die meisten anderen Akteure in der Hochschulpolitik zustimmen. Die »Lösung« der schwarz-gelben Koalition sorgt aber seit mehreren Jahren für Diskussionen nicht nur an den Hochschulen: Die Einführung von Studienbeiträgen, die die Landesregierung ein »Gebot sozialer Gerechtigkeit« nennt. Besonders gerecht findet sie, dass auch BAföG-Empfänger bis zu 500 Euro pro Semester bezahlen müssen.

Wilhelm Achelpöhler, Rechtsanwalt aus Münster, ist der Meinung, dass unter anderem diese Regelung rechtswidrig ist. Denn die Ausbildungsförderung ist Bundesangelegenheit, die Bestimmung könnte das Gebot der Bundesfreundlichkeit verletzen. Nach seiner Ansicht könnte das Gesetz zudem gegen internationales Recht verstoßen. So sieht der »Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte« aus dem Jahr 1966, Bestandteil der »Internationalen Menschenrechtscharta«, vor: »Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf Bildung an«. Die unterzeichnenden Staaten erkennen zudem an, dass »der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss«.

Dass EU-Bürger im Normalfall kein Darlehen zur Bezahlung der Studienbeiträge, Achelpöhler hält die Bezeichnung Studiengebühren für richtig, erhalten können, dürfte gegen Europarecht verstoßen. »Auch Studierenden aus anderen Mitgliedsstaaten, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten und in gewisser Weise in die Gesellschaft integriert sind, müssen einen Anspruch auf Studienförderung zu den gleichen Bedingungen haben, wie deutsche Studierende«, lautet sein Schluss. Baden-Württemberg hat eine entsprechende Regelung vorgesehen, NRW nicht.

Wilhelm Achelpöhler bezweifelt außerdem, dass der Gesetzesentwurf mit der im Grundgesetz verankerte Berufs- und Ausbildungsfreiheit vereinbar ist. Denn nicht nur er befürchtet, dass die Schulden in einer Höhe bis zu 10.000 Euro Abiturienten aus einkommensschwachen Verhältnissen von einem Studium abhalten könnte. Auch die rot-grüne Bundesregierung hatte 2001 die Begrenzung der BaföG-Rückzahlung auf 20.000 Mark damals so begründet: »Damit zieht der Gesetzesentwurf die Konsequenz aus der von allen Sachverständigen bekräftigten Sorge, dass vor allem Jugendliche aus einkommensschwächeren Familien, durch den drohenden Schuldenberg von der Aufnahme eines Studiums abgeschreckt werden«.

Mit dem Gesetz will die Landesregierung aber nicht nur dafür sorgen, dass die Hochschulen mehr Geld zur Verfügung haben. Sie erklärt in der Begründung des Gesetzes, eine »Anbieter-Nachfrager-Situation generieren« zu wollen, mit ihrer »finanziellen Nachfragemacht«, sollen die Studierenden die Bedingungen in der Lehre verbessern können. Wilhelm Achelpöhler hat daran Zweifel: »Die Nachfragemacht eines Studierenden etwa im Hinblick auf einen Medizinstudienplatz dürfte etwa mit der eines DDR-Bürgers vergleichbar sein, der einen Trabant kaufen möchte«, formuliert Achelpöhler in seinem Gutachten.