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Dramatische Abschiebung nach Georgien (Teil 2)



Bei der Familie D. handelt es sich um gläubige Yeziden. Sie werden in Georgien verfolgt. Ihre Zahl sank von 22.000 Ende der 1980er Jahre auf gegenwärtig rund 1.000. In einer internen Mitteilung des Auswärtigen Amtes vom 15. März 2004 heißt es: »Angesichts der allgemein noch mangelnden Transparenz und Rechtsstaatlichkeit der Strafverfolgung kann nicht ausgeschlossen werden, dass gelegentlich Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten im Strafverfahren oder im Strafvollzug schlechter behandelt werden als orthodoxe ethnische Georgier«.

Dies ist eine milde Beschreibung: Seit über 80 Jahren nun werden Yeziden im Gebiet des ehemaligen osmanischen Reiches und im Südkaukasus verfolgt. Hinzu kommt, dass die Lage in Georgien politisch labil ist: Teile des Landes sind von Paramilitärs besetzt, die Regionen Abchasien und Südossetien haben sich von der Zentralregierung losgesagt. Faktisch handelt es sich um ethnisch motivierte Abspaltungen von Georgien.


Auswärtiges Amt beurteilte Lage als schwierig

Bis heute müssen Yeziden in Georgien mit Diskriminierung rechnen. Dabei können sie auch nach dem internen Bericht des Auswärtigen Amtes weder auf Justiz noch auf Polizei setzen: »Es dürfte noch einige Zeit dauern, bis die georgische Strafrechtspraxis modernen rechtsstaatlichen Standards entspricht«, heißt es da, und: »Die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden bleibt hinter westlichen Standards weit zurück ... Fälle von Bestechlichkeit und Erpressung durch Polizeibeamte waren in der Vergangenheit eine alltägliche Erscheinung«. Der Bericht stellt weiter fest, dass es »große wirtschaftliche und soziale Probleme für die Volksgruppe der Jesiden« gebe. Zwar seien die Jesiden nicht staatlicher Repression ausgesetzt, von Fällen von Diskriminierungen im Alltag und Benachteiligungen im Umgang »mit einzelnen Vertretern staatlicher Behörden, insbesondere der Polizei«, habe man aber Kenntnis.

Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes ist auch das Gesundheitswesen in Georgien in einer »schwierigen Lage«. Dies ist besonders für die Familie D. wichtig. Denn die gesamte Familie war bis zu ihrer erzwungenen Ausreise in psychiatrischer Behandlung. Insbesondere der Vater litt unter einem posttraumatischen Belastungssyndrom. Er hat massive Verfolgungsvorstellungen. Vor seiner Flucht nach Deutschland ist er in Georgien inhaftiert und gefoltert worden. Mitte der 1990er Jahre kam er mit seiner Familie nach Deutschland – seitdem befindet er sich in ärztlicher Behandlung. Das Verwaltungsgericht Minden lehnte den Asylantrag ab – Herr D. habe Widersprüche in seiner Verfolgungsgeschichte. Ihm wurde nicht geglaubt. »Damit kam zu einer Verstärkung der Beschwerden: Neben die primäre Schädigung trat nun die permanente Angst vor Abschiebung«, erklärt Wolf Müller, Chefarzt der Psychiatrischen Tagesklinik Herford.

Die georgische medizinische Vereinigung, also praktisch die georgische Ärztekammer, sieht auf Anfrage kaum Möglichkeiten, die Familie D. weiter zu behandeln: Viele psychiatrische Kliniken im Land seien aus Geldmangel geschlossen worden, den psychiatrischen Patienten gehe es sehr schlecht. »Das Essen ist nicht adäquat, die sanitären und hygienischen Bedingungen sind nicht zufriedenstellend. Es gibt Probleme mit der Stromversorgung und Heizung«.