Webwecker Bielefeld: Chicken

Hähnchen klein ging allein...



Himmel und Huhn

Von Harald Manninga

Kaum ein halbes Jahr ists her, dass die Disney-Studios verkündeten, sie wollten sich aus dem herkömmlichen Trickfilmgeschehen zurückziehen und sich ganz auf die Computeranimation verlegen. Jetzt kommt der erste komplett computeranimierte Film in die Kinos, den das Maushaus nicht »nur« im Verleih hat, wie etwa die großen Erfolge aus den Pixar-Studios (»Toy Story«, »Findet Nemo« usw.), sondern in den eigenen Studios selbst produziert. Der erste Versuch, mal zu zeigen, was von dort zu erwarten ist, wenn Pixar mit dem grad in Produktion befindlichen Film »Cars« den Vertrag mit Disneys Verleihfirma Buena Vista erfüllt hat und dann vielleicht eigene Wege geht. – Nach den großen Erfolgen aus dem Hause Pixar sollte man ja annehmen, die Disney-Animateure hätten sich von denen ein bisschen abgekuckt, wie man solche Filme macht. Ziemlicher Fall von Hastegedacht.

Es verwundert überhaupt nicht, dass Disney quasi pünktlich zum Start in Deutschland Pixar einfach gekauft hat, bevor die eventuell wirklich »eigene Wege gehen«. Für 7,4 Milliarden Dollar, wie es u.a. in SPIEGEL Online berichtet wird. Selber kriegen sies nämlich offenbar nicht mehr so recht hin, die Disney-Leute. Einfach nur eine neue Technik zu probieren reicht halt doch nicht, man braucht schon auch eine gute Geschichte mit guten Gags. Also zunächst mal Autoren mit Ideen. Aber dass es die in den Disney-Studios nur kaum noch gibt, hat der Zuschauer in den letzten paar Jahren schon bei so Sachen wie z.B. »Dschungelbuch 2« mit Grausen und kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen müssen. (Und dieses Grauen geht weiter: Demnächst kommt, noch als Zeichentrick, »Bambi 2« in die Kinos...)


Hühnchen Junior, so der Name des kleinen Losers, der im Mittelpunkt des Films steht, hat vor einem Jahr die Stadt in Aufruhr gebracht: Das Ende der Welt stünde bevor, warnte er seinerzeit, nachdem ihm im Park ein stopschildförmiges Stück Himmel auf den Kopf gefallen war. Diese Furcht stellte sich jedoch als unbegründet heraus, und Junior ist fortan allerlei Spott ausgesetzt. Dass dieses Hähnchen auch sonst im Leben ein ziemlicher Pechvogel ist, macht es für den armen Kerl nicht eben leichter. Gerade als er ein Jahr später aber beim Baseball eine Art Heldentat vollbringt und sich das Blatt für ihn zu wenden scheint – beginnt alles von vorn und ihm fällt wieder ein außerirdisches Stopschild auf den Detz. Aber klar: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht... Zunächst jedenfalls. Diesmal wirds aber dann doch ernst, und Hühnchen Junior wird zusammen mit seiner Clique von Außenseitern zum Alienjäger, der nicht nur die Rettung der Welt bewerkstelligt, sondern sich damit auch noch den Respekt seines vom Versagersohn enttäuschten Vaters verdient.


Mehr als vielleicht »ganz ordentlich geworden« ist dieser Film leider nicht. Die Charaktere sind viel zu schablonenhaft und hölzern ausgearbeitet, es gibt kaum mal einen gelungenen Witz, und wenn, dann wird so lange drauf rumgeritten, bis ihn wirklich auch der letzte Dummbeutel begriffen haben wird. »Zitate und Anspielungen« aus anderen Alien- und Abenteuerfilmen gibts viele, aber die sind so lieb- und phantasielos dahingestreut, dass es nahezu wehtut. »Sowas gehört eben dazu«, werden sich die Leute gedacht haben, eingedenk der Tatsache, dass so Filme wie »Shrek« aus dieser Masche etwa die Hälfte ihres Charmes ziehen. Da ist diese Mache aber auch gut gemacht! – Und dann diese merkwürdige Moral von der Geschicht’, dass man als Söhnchen am besten zusieht, ein Baseballspiel im Alleingang zu gewinnen und zudem besser auch noch schnell mal eben die Welt zu retten, damit Väterchen irgendwann dann doch mit Stolz auf seinen Nachwuchs herabblicken kann... Nu ja. Disney war für moralische Keulen auch sonst hie und da berühmt, aber so plump auf »Leistungsgesellschaft« gings doch bisher nicht unbedingt.